Pressefreiheit:"Ich habe fast 250 Demonstrationen besucht und weiß, wo meine Grenzen sind"

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Stundenlang zogen am Wochenende Querdenker durch Berlin - trotz Versammlungsverbots. Nur am Regierungsviertel gab es kein Durchkommen. (Foto: Rolf Zoellner/epd)

Immer wieder werden Journalisten auf Querdenker-Demos bedrängt, beleidigt und bedroht. Jörg Reichel dokumentiert solche Übergriffe - was für ihn nicht ungefährlich ist. Unterwegs mit einem, der sich nicht aufhalten lässt.

Von Thomas Balbierer

Die blauen Flecken an seinem Körper sind verblasst, über die Schrammen an Beinen und Knien ist neue, zarte Haut gewachsen. Es ist ein grauer Samstagmorgen in Berlin, Jörg Reichel sitzt auf einer Parkbank am Boulevard Unter den Linden, im Rücken das ZDF-Hauptstadtstudio, ein Polizeiwagen parkt davor. Noch sind wenige Menschen unterwegs, aber Reichels Blick bleibt immer wieder an Passanten hängen. Ist das einer von denen? Vor vier Wochen wurde der Gewerkschafter am Rande einer verbotenen Querdenken-Demo von mutmaßlichen Teilnehmern attackiert und verletzt. Nun haben die Gegner der Corona-Politik neue Proteste angekündigt und tummeln sich schon an verschiedenen Stellen der Stadt. Die Polizei ist in Bereitschaft, Reichel sitzt da und scannt Gesichter. Misstrauen liegt in seinem Blick. Er zeigt auf zwei Männer und eine Frau, die etwas verloren auf der anderen Straßenseite stehen. "Die gehören auch dazu." Er will unbedingt auf die Demo gehen, obwohl ihn der Angriff am 1. August nicht nur körperlich verletzt, sondern traumatisiert habe. Das soll aber keine Rolle spielen. "Ich habe fast 250 Demonstrationen besucht und weiß, wo meine Grenzen sind", sagt er. "Ich habe keine Angst."

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