"Quellen des Lebens" im Ersten:Wahnsinnsschrei eines Gequälten

Quellen des Lebens

Von den eigenen Eltern vernachlässigt: Robert (Ilyes Moutaoukkil).

(Foto: WDR/X Filme)

Mit "Quellen des Lebens" verfilmt Oskar Roehler seinen eigenen Missbildungsroman "Herkunft". Dieser ist zu einer halbwegs stringenten Handlung zusammengestaucht worden, dennoch geht von dem autobiografischen Quelltext viel zu viel verloren.

Von Willi Winkler

Oskar Roehler schreibt und filmt seit Jahren an einem riesenhaften Fresko, das er, bei nur dezenten Anklängen an die Wirklichkeit, mit bösen Müttern und versoffenen Vätern, mit Spießern und Kiffern, überhaupt mit Irren und Gestörten aller Weltanschauungen ausstaffiert. In Interviews hat er großzügig Einblick in den Urgrund dieser Groteskerie gewährt, die Quellen seines Lebens und Treibens: Die Mutter ist an allem schuld beziehungsweise der Vater beziehungsweise Deutschland.

Erst hat ihn seine Mutter, die Schriftstellerin Gisela Elsner, verlassen, dann hat ihn sein Vater, der Lektor Klaus Roehler, schlimm vernachlässigt, deshalb konnte er kaum anders, als Hippie zu werden und Punk und Tatortreiniger in Peepshows. Wo andere sich einer kostspieligen Therapie unterziehen müssten, kann Roehler sein Leben öffentlich wiederholen, erinnern und so durcharbeiten, dass dabei bedeutende Filme wie Die Unberührbare (2000) und ein schmuddeliges Meisterwerk wie die Auf- und Abrechnungsgeschichte Herkunft (2011) entstehen.

Diese Herkunft hat Roehler unter dem arg geschwollenen Titel Quellen des Lebens selbst verfilmt. Dabei ist der völlig ungeordnete, stellenweise völlig verhauene, dann wieder geniale Missbildungsroman, den die geschätzte Leserin, der geneigte Leser bitte jetzt, sofort und auf der Stelle lesen sollte, zu einer halbwegs stringenten Handlung zusammengestaucht worden. Auch als Film ist er aber immer noch so verstörend, dass er einem den lauesten Sommerabend verderben kann.

Flucht in die Kunst

Quellen des Lebens zehrt von den dumpfen und panisch fleißigen Adenauer- und Erhard-Jahren, und wer mag, kann das als Kritik an der Wirtschaftswunderrepublik Deutschland sehen. Es sind aber vor allem Bruchstücke einer großen Konfession, der Wahnsinnsschrei eines gequälten Kindes, das sich in einem eigentümlichen Wiederholungszwang nach dem Vorbild der Eltern in die Kunst geflüchtet hat.

Kunst ist ungerecht, und deshalb wird in der Version des misshandelten Kindes unterschlagen, dass Gisela Elsner eine große Kleinmeisterin der Nachkriegsliteratur war und dass Klaus Roehler die Romane von Günter Grass in druckbare Form brachte. Vielleicht ist das aber auch wieder egal, da der junge Roehler trotz seiner Leidensgeschichte ein so einmalig gruseliges Panoptikum inszenieren kann. Meret Becker und Jürgen Vogel als Großeltern verschwinden zwar zunehmend in der Maske, aber sie spielen mit einer furchtbaren Eindringlichkeit eines dieser unauflöslich aneinandergeketteten Paare, die sich nur noch hassen können, aber nebenbei das neue Nachkriegsdeutschland aufbauen.

Von der Herkunft, dem autobiografischen Quelltext, geht viel zu viel verloren, manches wird umgedeutet oder verschärft. Der Hauptunterschied besteht darin, dass Oskar Roehler seinem Helden, also am Ende sich, eine Erlösung gewährt. Nach der ganzen Groteskerie mit Vögeln unter Gartenzwergen, Cognac-Saufen und dem neureichen Protzentum finden die Nachbarskinder Robert und Laura zu einer zarten Liebesgeschichte zusammen, die wie im Film niemals aufhören sollte.

Quellen des Lebens, ARD, Samstag, 20.15 Uhr.

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