Süddeutsche Zeitung

RTL-Serie zum Coronavirus:Niveau-Limbo im Froschteich

Thomas Gottschalk, Günther Jauch und Oliver Pocher sprechen in der "Quarantäne-WG" über das Leben in Zeiten von Corona. Wer die Stunde bei RTL durchsteht, weiß: Es ist alles noch viel schlimmer, als man vorher dachte.

Nachtkritik von Hans Hoff

Wenn man wissen will, wie das war am Montagabend bei "Die Quarantäne-WG - Willkommen zuhause!", dann werfe man einfach mal ein Mikrofon in einen Froschteich, stopfe eine Kamera in eine Milchflasche und halte sie in Richtung extrem trostloser Gesichter.

Die trostlosen Gesichter gehörten in diesem Fall zu Günther Jauch, Thomas Gottschalk und Oliver Pocher, die RTL im Skype-Konferenz-Modus zusammengeschaltet hat. Die drei waren ausersehen, miteinander und mit zugeschalteten Gästen über das Leben in Zeiten von Corona zu parlieren. Und wer es geschafft hat, die Stunde mit ihnen durchzustehen, hat die leidvolle Erkenntnis gewonnen, dass alles noch viel schlimmer ist, als man vorher dachte. Zumindest bei RTL.

Nicht nur versagt der Sender dabei, seinem Spitzenpersonal in Sachen Unterhaltung anständige Übertragungsausrüstung in die Wohnung zu stellen, er verzichtete auch zum Start komplett auf irgendein Konzept, das über die Annahme, die drei würden die Stunde schon irgendwie zulabern, hinausging.

Da gefiel sich der von Jauch als "fleischgewordener Sonnenschein" eingeführte Gottschalk mal wieder in der Rolle des Alterspräsidenten, und Jauch spielte den strebenden Besserwisser, den er immer spielt. Es sagt schon viel über eine Sendung aus, wenn die informativsten und unterhaltsamsten Beiträge von Oliver Pocher stammen, der als positiv auf Corona getesteter Komödiant anfangs angab, gerade den schwersten Tag seiner Erkrankung hinter sich zu haben.

Mit Pochers Krankheitsbericht, der News, dass Pietro Lombardi ihm Bananen geschickt hat und der Information, dass Pocher Günther Jauch neuerdings duzen darf, war das Informationskontingent dann aber auch schon ausgeschöpft. Der Rest war sendertypische Unterrichtungssimulation, die keinem anderen Zweck diente, als eine Stunde Sendezeit zu füllen.

Da musste sich der Zuschauer, der trotz der technischen und inhaltlichen Unzulänglichkeit unbedingt dranbleiben wollte, seine Informationen schon selber zusammenklauben. Rasch war nicht mehr wichtig, was die Protagonisten von sich gaben, sondern wie trostlos sie aussahen, wenn jemand anders redete, wie sie blass und völlig leer auf ihren Bildschirm starrten. Dank des Splitscreen-Verfahrens, das ständig alle Beteiligten im Bild hielt, weiß man nun aber, dass sich in Gottschalks Wohnzimmer viele Regale befinden, dass Pocher ein Bild von Ed Heck hängen hat und Jauch in seinem "Bürozimmerchen" keinen besseren Sendeplatz fand als vor einem kitschigen Foto und einem Stromkasten.

Dass sie nicht das Fernsehen neu erfunden haben und sich in Sachen Niveau-Limbo (How low can you go) durchaus Chancen aufs Treppchen ausrechnen können, haben die Insassen irgendwann selbst gemerkt. Wohl auch nicht schwer, wenn jede Big-Brother-Ausgabe dagegen zehnmal brillanter daherkommt.

"Ja, wir haben's mitbekommen. Der Ton war nicht optimal", hieß es irgendwann, und dann gab es das Versprechen, dass es bald besser werde. Technisch zumindest. Wer das glaubt, wird wohl auch in den Folgetagen wieder einschalten und nachschauen, ob es immer noch dieselben Entengesichter und denselben Froschton gibt.

Inhaltlich kann es nach dem kollektiven geistigen Offenbarungseid eigentlich auch nur besser werden. Allein, weil es schlechter kaum noch geht. Wirkliche Hoffnung macht das indes nicht, weshalb die Ankündigung, dass "Die Quarantäne-WG - Willkommen zuhause!" nun täglich kommt, eher als Drohung gewertet werden muss.

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