"Quantico" auf Pro Sieben:Trash in Zeiten des Terrors

"Quantico" auf Pro Sieben

Ein Bild, das Fragen aufwirft: Sehen alle FBI-Agenten so unverschämt gut aus? (In der Serie Quantico: ja.) Und wo gibt es diese Kappen zu kaufen?

(Foto: 2015 ABC Studios)

In der neuen FBI-Serie "Quantico" muss natürlich etwas Krasses passieren. Mit durchweg gut aussehenden Agenten. Wie unterhaltsam.

TV-Kritik von Juliane Liebert

Erinnert sich noch jemand an das Partyspiel "Mord in der Disko"? Geht so: Es werden unter den Mitspielenden Zettel mit den Begriffen "Detektiv", "Mörder", "Tänzer" und "DJ" verteilt. Detektiv geht raus vor die Tür, Mörder bringt jemanden um, Detektiv geht in den Raum und muss erraten, wer der Mörder war. Zeitgemäß wird dieses Spielchen in Quantico mit "Terrorist" statt "Mörder" durchexerziert. Es gibt keine Tänzer, dafür eine Horde angehender FBI-Agenten. Wie es sich für einen Thriller gehört, sind die Zettel alle doppelt und dreifach beschriftet, werden zwischendurch mehrfach getauscht, und alle sehen unfassbar gut aus.

Folge Nummer eins, spoilerfrei: Die Hauptfigur Alex Parrish (Priyanka Chopra) ist auf dem Weg nach Quantico, Trainingscenter für FBI-Küken. Auf dem Weg dahin tut sie etwas Krasses, mit dem man nicht rechnen würde, mit einem anderen Charakter (Jake McLaughlin), von dem man denkt, er würde danach nie wieder auftauchen. Was er dann doch tut, woraufhin Alex wieder etwas Überraschendes tut, weil sie so wahnsinnig cool ist.

Angekommen im FBI-Ferien-Trainingslager werden dann noch eine ganze Vielzahl weiterer Charaktere eingeführt, die das Kriterium einer politisch korrekten Cornflakes-Werbung erfüllen: von jeder Sorte einer. Der Boss ist weiblich und schwarz (Aunjanue Ellis), einer ist schwul (Simon Asher), einer Mormone, eine Muslimin (Yasmine Al Masri), man sieht die Scriptwriter im Geiste händeringend da sitzen: Haben wir irgendeine Minderheit vergessen? Kriegen wir Ärger, wenn kein Rollstuhlfahrer vorkommt? Ist ein rollstuhlfahrender FBI-Agent glaubwürdig? Was sollen wir nur tun?

Erste Aufgabe der FBI-Rekruten ist, gegenseitig ihre jeweiligen Geheimnisse herauszufinden. Teambuilding für paranoide Stalker. Das führt im weiteren Verlauf der Folge dazu, dass mit dem einen Charakter etwas so richtig Krasses passiert, also, da würde man echt nicht drauf kommen. Andererseits ist er schon wieder tot, bevor man sich seinen Namen gemerkt hat.

Ist das logisch? So halb. Anspruchsvoll? Nein. Unterhaltsam? Ja.

Das ist nur eine der beiden Erzählebenen. Auf der anderen ist etwas noch Krasseres passiert, bevor alles losging. Richtig, ein Terroranschlag. Und dann nimmt das Spektakel erst richtig Fahrt auf, denn Alex wird für den Anschlag verantwortlich gemacht: Einer ihrer FBI-Klassenfahrtsfreunde ist ein Schläfer, und sie muss ihn finden, um ihre Unschuld zu beweisen. Ist das logisch? So halb. Anspruchsvoll? Nein. Unterhaltsam? Ja.

Klar, man könnte sich darüber lustig machen, dass Alex aussieht wie aus dem Ei gepellt, selbst wenn sie als einzige Überlebende eines Terroranschlages in den Trümmern des Grand Central Terminal erwacht. Tatsächlich ist genau das die Stärke der Show: Sie löst die sehr gegenwärtige Panikmache mithilfe des klassischen Helden, dessen Frisur noch im Auge des Sturms sitzt und dessen Hemd (Bluse, in diesem Fall) auch nach einem harten Zweikampf keine Knitterspuren hat. Natürlich ist das irgendwie Trash, aber ist Trash nicht das, wonach wir uns sehnen? Echter Terror ist befremdlich und beängstigend genug. Gebt uns zwei Cliffhanger die Minute, gebt uns zwanzig Charaktere, die alle wie Models aussehen, gebt uns dunkle Geheimnisse, mindestens drei pro Charakter.

Echter Terror: Man sitzt zu Hause und traut sich nicht raus. Serienterror: Man sitzt zu Hause und will nicht raus, sondern weiterschauen. Echter Terror: schlecht. Serienterror: cool. Außerdem kann man Serienterror nach Belieben an und ausschalten. Ein unschlagbarer Vorteil.

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