Die Frankfurter Rundschau (FR) wird an ihrem Stammsitz auf ein Lokalblatt reduziert und bezieht alle ihre überregionalen Inhalte künftig von einer noch zu gründenden gemeinsamen Organisation mit der Berliner Zeitung aus der Hauptstadt. Das teilte die Mediengruppe M. DuMont Schauberg, der beide Blätter gehören, an diesem Freitag in Köln mit und bestätigte damit einen Bericht der SZ vom Vortag. Es ist der letzte Versuch, das seit vielen Jahren und trotz multipler Sparrunden immer noch hochdefizitäre linke Traditionsblatt zu retten. Allein für 2010 rechnet der Verlag erneut mit einem Minus von 19 Millionen Euro.
Beide, FR und Berliner Zeitung, sollen im neuen Konstrukt eine gemeinsame Chefredaktion erhalten. Den Vorsitz übernimmt Uwe Vorkötter, 57, zurzeit Chefredakteur der Berliner Zeitung. Ihm zur Seite sollen der bisherige FR-Chefredakteur Rouven Schellenberger und Brigitte Fehrle stehen. Fehrle, Leiterin der DuMont-Redaktionsgemeinschaft, ist bereits für die überregionale Politikberichterstattung der Abo-Blätter des Verlags verantwortlich. Joachim Frank, zurzeit noch Co-Chefredakteur in Frankfurt, wird Chefkorrespondent des Verlags.
Deutlich stärker als die Führungsebene wird die Redaktion der Rundschau ausgedünnt. Wegen des Umbaus soll fast die Hälfte der knapp 190 redaktionellen Stellen in Frankfurt gestrichen werden, heißt es. Da die bisherige Leiharbeit eingestellt werde und aufgrund der Umstrukturierung auch neue Jobs entstünden, würden am Ende insgesamt 44 Stellen wegfallen. Von der verbleibenden Mannschaft sollen rund 20 Leute in die neue Blattmacher-Zentrale in der Hauptstadt wechseln. In Frankfurt verbleiben der Lokalteil der FR, der dafür erweitert werden soll, sowie Autoren der übrigen Ressorts.
Aus zwei mach vier?
Die Frage ist, ob und wie lange diese Verzahnung nur für die Berliner Zeitung und die FR gilt. Wie der Verlag auch mitteilte, sollen sämtliche digitalen Inhalte, also die Online-Auftritte und iPad-Formate der beiden Blätter, künftig unter der Leitung Schellenbergers in Frankfurt produziert werden; ein Arbeitsbereich, wie DuMont formuliert, "mit hohem Zukunftspotenzial". Wahrscheinlich hat die Entscheidung, das digitale Geschäft am Main zu bündeln, auch damit zu tun, dass dem Standort angesichts der publizistischen Degradierung jede Aufwertung gut tut. Doch womöglich steckt auch mehr dahinter.
DuMont produziert in Deutschland vier Abo-Titel, neben der linken FR und der linksliberalen Berliner Zeitung noch den eher mittig liberalen Kölner Stadt-Anzeiger und die Mitteldeutsche Zeitung mit Sitz in Halle. Den drei zuletzt genannten Titeln geht es nach Verlagsangaben gut, alle sollen 2010 schwarze Zahlen geschrieben haben. Und trotzdem: Wenn die Kölner Gruppe Synergien sucht, wäre es durchaus denkbar, die Kooperation zwischen Frankfurt und Berlin später auszuweiten. So könnte der Verlag nicht nur alle Online-Auftritte in Frankfurt produzieren lassen, sondern auch die überregionale Berichterstattung ganz in Berlin bündeln, also für alle vier Titel.
Das würde deren Eigenständigkeit zwar weiter einschränken, wäre strukturell aber wohl möglich. Schon heute soll die überregionale Politikberichterstattung der DuMont-Blätter zu etwa zwei Dritteln identisch sein. Vermutlich wäre eine dermaßen weitreichende Syndikation im Kultur- oder Sportteil von Regionalzeitungen schwierig. Aber probieren kann man ja alles mal. Zumal es, abgesehen von ein paar Politikern und Journalisten, kaum Doppelleser geben dürfte.
Die Schmerzen des Verlegers
Ob die Einheitskost, die kurzfristig Geld sparen mag, auf lange Sicht verlegerisch sinnvoll ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Den anhaltenden Leserschwund der FR jedenfalls konnte die durch die Redaktionsgemeinschaft angeblich veredelte Berichterstattung bisher nicht aufhalten. Die verkaufte Auflage (montags bis samstags) fiel im vierten Quartal 2010 auf weniger als 130.000 Exemplare - ein Verlust von mehr als 10000 Stück im Vergleich zum Vorjahresquartal und mehr als 20000 im Vergleich zu dem davor. Womöglich finden die Leser ihre FR schon heute weniger einzigartig und unterscheidbar als ihr Verleger.
Alfred Neven DuMont, der 84-jährige Aufsichtsratschef der DuMont-Gruppe, schreibt in einem Beitrag für die aktuelle Samstagsausgabe der Rundschau, dass der anstehende Umbau der Zeitung "mit durchaus schmerzlichen Einschnitten verbunden", aber letztlich alternativlos sei. Es ehrt den Verleger, dass er seinen Mitarbeitern trotz der gewaltigen Verluste so lange die Treue gehalten hat und weiter halten will.
Seiner Ankündigung, die Qualität der FR trotz des redaktionellen Outsourcings "wie gewohnt aufrechterhalten" zu können, kann man dennoch kaum Glauben schenken - so gerne man auch würde. "Das, was die Frankfurter Rundschau in Ton und Meinung auszeichnet, bleibt auch unter diesen Bedingungen erhalten," schreibt Neven DuMont. Ob er glaubt, seinen Journalisten so Mut machen zu können?
Offiziell gibt es keine Frist, in der die neue Rundschau am Markt bestehen muss. Und doch hat es sicher einen guten Grund, dass der Zeitungsvorstand des Verlags, Franz Sommerfeld, das Jahr 2013 als Zielmarke nennt. Bis dahin solle das Blatt "aus den roten Zahlen sein".
Die Redaktion der FR ist von ihren eigenen Aussichten indes schockiert. Man habe gewusst, dass gespart werden müsse, sagte ein Redakteur an diesem Freitag nach einer mehr als zweistündigen Krisensitzung von Redaktion, Geschäftsführung und Verlag: "Aber dass es so blutig wird, damit hat keiner gerechnet."