Prozess gegen Rupert Murdoch:Es ist noch lange nicht vorbei

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Abhörskandal in England: Rupert Murdoch will und muss zahlen, doch ihm droht weiter Ärger. Die meisten Sun-Leute hätten gewusst, dass Amtsträger geschmiert wurden, die Zahlungen sollen vom Führungspersonal genehmigt worden sein. Es könnte um mehrere Hundert Millionen Dollar gehen.

Christian Zaschke, London

Rupert Murdochs Freude über seinen Coup währte lediglich einen Tag. Am vergangenen Sonntag präsentierte der Medienunternehmer noch stolz seine neue Zeitung Sun on Sunday (SoS), nur eine gute Woche, nachdem er sie angekündigt hatte.

Rupert Murdoch mit seiner neuen Zeitung "The Sun on Sunday". (Foto: AFP)

Am Montag stand sein Unternehmen wieder in ganz anderer Weise im Blickpunkt: Im Untersuchungsausschuss über Praktiken der britischen Presse erhob die stellvertretende Chefin der Londoner Metropolitan Police, Sue Akers, schwerwiegende Korruptionsvorwürfe gegen das Boulevardblatt The Sun.

Zur gleichen Zeit stimmte die Sängerin Charlotte Church einem Vergleich über 600.000 Pfund (rund 700.000 Euro) mit Murdochs Unternehmen zu - Mitarbeiter von dessen inzwischen eingestellter Sonntagszeitung News of the World hatten die Telefone von Church und ihrer Familie gehackt und auf Grundlage der illegal erlangten Informationen mehr als 30 Artikel verfasst.

Die Veröffentlichung der SoS sollteein Befreiungsschlag für Murdoch sein, nachdem in den vergangenen Wochen zehn zum Teil hochrangige Journalisten der Sun wegen des Verdachts der Beamtenbestechung festgenommen worden waren. Der Befreiungsschlag misslang jedoch gründlich, weil am Montag der unabhängige Untersuchungsausschuss unter Vorsitz des Richters Brian Leveson seine Arbeit wieder aufnahm. Der Ausschuss war im Sommer 2011 von Premierminister David Cameron eingesetzt worden, nachdem der Guardian das Ausmaß des Hackens von Telefonen durch News of the World enthüllt hatte.

Als erste Zeugin war Akers geladen, sie berichtete unter anderem zum Stand der polizeilichen Ermittlungen gegen die Sun. "Es gab regelmäßige und zum Teil erhebliche Zahlungen seitens der Sun an offizielle Amtsträger", sagte sie, "es sieht so aus, dass es in der Sun eine Kultur illegaler Zahlungen gab."

Akers betonte, es gehe nicht darum, dass Journalisten hin und wieder Polizisten auf ein paar Drinks oder zum Essen eingeladen haben. Sun-Mitarbeiter hatten nach den Festnahmen beklagt, dass diese unverhältnismäßig seien, weil es lediglich um ein Essen hier und Bier dort gegangen sei. Dem widersprach Akers. Zum Beispiel habe ein Beamter nachweislich über meh-rere Jahre hinweg von der Sun 80 000 Pfund für Informationen erhalten.

Ein Sun-Mitarbeiter wiederum habe vom Unternehmen insgesamt 150.000 Pfund erhalten, um damit "Quellen zu bezahlen". Akers sprach von einem "Netzwerk korrupter Offizieller", das die Sun gegen Bezahlung mit Geschichten versorgt habe.

Zum einen lasse der interne E-Mail-Verkehr erkennen, dass die meisten Sun-Leute gewusst hätten, dass Amtsträger regelmäßig geschmiert wurden und dass dieses Vorgehen illegal war. Zum anderen werde deutlich, dass die Zahlungen vom Führungspersonal genehmigt worden seien.

Charlotte Church vor dem High Court in London - die Sängerin hatte zuvor einem Vergleich zugestimmt. (Foto: AFP)

Dieser Aspekt ist für Murdoch besonders gefährlich. Der Mutterkonzern seiner weltweiten Unternehmen, News Corp, ist in den USA ansässig. Nach dem amerikanischen Foreign Corrupt Practises Act können US-Firmen, die sich im Ausland der Bestechung schuldig machen, in den USA zu sehr hohen Strafen verurteilt werden.

In Murdochs Fall könnte es nach Schätzungen von Experten um mehrere Hundert Millionen Dollar gehen. Aus diesem Grund hat News Corp der britischen Polizei den Zugang zu 300 Millionen Firmen-E-Mails gewährt - umfassende Kooperation könnte vor der Strafe in den USA bewahren oder sie erheblich mindern.

Kultur illegaler Zahlungen"

Der Leveson-Ausschuss wird sich in den kommenden Wochen im so genannten "zweiten Modul" intensiv mit dem Verhältnis von Polizei und Presse beschäftigen. Im ersten Modul ging es vor allem um die Opfer des Abhörskandals und die generellen Praktiken der Presse. Im Herbst soll der Ausschuss einen ersten Bericht vorlegen. Erwartet werden Empfehlungen, wie die Printmedien reguliert werden könnten, ohne die Pressefreiheit einzuschränken.

Ebenso sehr wie die Ausführungen von Sue Akers haben dem Ansehen von Murdochs Konzern am Montag die Aussagen der 26 Jahre alten Sängerin Charlotte Church geschadet. Church war, wie sie ausführte, bereits als Minderjährige von Murdochs Leuten abgehört worden, zudem wurden ihre Eltern unter Druck gesetzt. Sie sagte: "Es ist widerlich, was diese Menschen getan haben, um Profit für einen Zeitungskonzern zu machen. Ich glaube nicht, dass sie bedauern, was sie getan haben. Sie bedauern nur, dass sie erwischt wurden."

Von den 600.000 Pfund Kompensation gehen 300.000 an Churchs Anwälte. Am Montag wurde zudem bekannt, dass Murdochs Konzern sich derzeit 180 weiteren Verfahren im Abhörskandal gegenübersieht, die er wohl alle mit einem kostspieligen Vergleich beenden wird. Da die Zahl der Abhöropfer bei mehr als 800 liegt, ist noch mit vielen Verfahren zu rechnen.

© SZ vom 28.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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