Süddeutsche Zeitung

Protestaktion:Auf einem Auge

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Palästinensische Journalisten solidarisieren sich mit einem Kollegen und protestieren mit Augenbinden auf Social Media. Nicht alle Unterstützer sind dabei willkommen.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Dutzende Journalisten posieren auf Twitter und Facebook mit einem durch eine Hand oder einen Verband verdeckten Auge: Palästinensische Kollegen haben diese Solidaritätsaktion unter den Hashtags #MuathAmarneh und #MuathEye gestartet, die sich rasch im Netz verbreitet. Der 35-jährige Fotograf Muath Amarneh hatte vergangene Woche über eine Demonstration nahe der Stadt Hebron im von Israel besetzten Westjordanland berichtet. Nach Schilderungen von Kollegen wurde er von israelischen Grenzpolizisten ins Visier genommen. Ein Geschoss traf ihn am Auge. Nach Angaben seiner Familie verlor er auf dem linken Auge seine Sehkraft.

Die israelische Grenzpolizei erklärte, sie habe nicht auf Amarneh gezielt. Es seien lediglich "nicht tödliche" Mittel eingesetzt worden, um die Menge zu zerstreuen. Die Einsatzkräfte veröffentlichten ein Video, auf dem Amarneh hinter einer Gruppe Steinewerfer zu sehen sein soll. In einem anderen Video von dem Vorfall ist zu sehen, wie anderen Journalisten Amarneh wegtragen, während er aus dem Auge blutet.

Auseinandersetzungen zwischen Journalisten und israelischen Einsatzkräften gibt es häufiger, aber nur selten führen sie zu einer öffentlichen Solidaritätsaktion. Nach Angaben der palästinensischen Journalistenvereinigung gab es in diesem Jahr bereits 60 Verletzungen von Journalisten durch Beschuss israelischer Einsatzkräfte. Außerdem wurden 170 Vorfälle gezählt, bei denen Reporter an der Berichterstattung gehindert wurden. Insgesamt zehn Journalisten wurden dieses Jahr verhaftet. Schadenersatz bekommen palästinensische Medienvertreter nur selten zugesprochen. Auch ausländische Journalisten haben manchmal Probleme mit dem israelischen Militär oder der Grenzpolizei, wegen mehrerer Fälle ist die Foreign Press Association, die Organisation der ausländischen Presse in Israel, vor Gericht gezogen.

Dem öffentlichen Protest schlossen sich auch der palästinensische Präsident Mahmud Abbas und Ministerpräsident Mohammed Schtaje an. Journalisten kritisierten dies als scheinheilig, denn auch von palästinensischer Seite wird die Pressefreiheit eingeschränkt. Im Oktober wurden 59 Onlinemedien verboten. Sie eint, dass sie kritisch über Abbas berichteten.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2019
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