Süddeutsche Zeitung

Pro Sieben und RTL:Wir müssen da jetzt durch

Die deutschen Privatsender entdecken ihre Liebe zu gesellschaftlicher Relevanz im Programm - was versprechen sie sich davon?

Von Aurelie von Blazekovic

"Es wird hart, aber wir müssen da jetzt gemeinsam durch", sagte die Autorin und Moderatorin Sophie Passmann im vergangenen Mai, als sie eine eher ungewöhnliche Pro-Sieben-Sendung anmoderierte. Männerwelten war eine Fernseh-Ausstellung über sexuelle Belästigung und Gewalt im Rahmen der Show Joko & Klaas gegen Pro Sieben. Bewegend und beklemmend war die Sendung, und sie entfaltete eine überraschende Wucht. Zwei Millionen Menschen sahen linear zu, eine ordentliche Quote, aber auf Youtube waren es bis heute mehr als vier Millionen, auf Instagram fast 20 Millionen.

Dass die Sendung ausgerechnet auf dem Spaßsender Pro Sieben lief, könnte einen wundern. Aber Männerwelten ist dort nur eine in einer ganze Reihe von Sendungen, die sich neuerdings gesellschaftlicher und politischer Debatten annehmen. Zuletzt sorgte die Doku Rechts. Deutsch. Radikal. für Aufsehen in Medien und Politik. Der Reporter Thilo Mischke recherchierte 18 Monate in der rechten Szene und gelangte dabei an Tonaufnahmen, die die verstörenden Ansichten eines AfD-Sprechers dokumentierten, der daraufhin von der Partei entlassen wurde.

Verändert hat sich die Programmgestaltung auch in einer anderen Hinsicht: Demnächst wird es nun auch wieder Nachrichten aus Unterföhring geben.

Ein journalistisches Profil könnte für die Sender von Vorteil sein

Auffällig ist: Auch der Privatsender RTL 2 versuchte sich zuletzt immer wieder an Sozialdokus, etwa über Missbrauch in der katholischen Kirche - und RTL verkündete kürzlich, seine journalistischen Einheiten bündeln und ausbauen zu wollen. "Wir leben in bewegten Zeiten, in denen seriöse Informationen immer wichtiger werden", so eine Sprecherin der Mediengruppe RTL. Man wolle mit den Angeboten dem steigenden Bedürfnis nach Nachrichten und "verständlicher Aufbereitung des immer komplexer werdenden Alltags" nachkommen.

Wolfgang Schulz, Professor für Medienrecht und Direktor des Leibniz-Instituts für Medienforschung, weist darauf hin, dass ein journalistisches Profil für die Sender bei kommenden Gesetzgebungsinitiativen von Vorteil sein könnte. Etwa der Media Action Plan der EU-Kommission, der Journalismus schützen und unterstützen soll. "Medienhäuser müssen sich jetzt entscheiden, ob sie zu dieser privilegierten Gruppe gehören wollen", so Schulz.

Bei Pro Sieben gibt es jetzt ein andernorts altbekanntes, aber dort neues journalistisches Gesicht: Jenke von Wilmsdorff, früher RTL. In Jenke. geht der Journalist "gesellschaftlich relevanten Fragen" nach. Da müssen die Zuschauer jetzt durch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5148690
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/ebri
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.