Prominenter Geldgeber:Glotzt doch!

Der Internet-Milliardär Peter Thiel finanzierte den Rechtsstreit von Ex-Wrestler Hulk Hogan gegen das Klatschportal "Gawker". Wie käuflich ist Gerechtigkeit?

Von Willi Winkler

Bei amerikanischen Gerichtsfilmen fiebert der Zuschauer mit dem unschuldigen Opfer, dem ein mutiger Anwalt am Ende doch zum Sieg verhilft. Das Gute siegt, das Unrecht ist entlarvt, und der Anwalt hat Mühe, seinen überglücklichen Mandanten daran zu hindern, ihm die Hände zu küssen. Seltsamerweise geht es in der Wirklichkeit nicht immer so gut aus. Es ist kein Geheimnis, dass im amerikanischen Rechtssystem, in dem Schadenersatzregelungen das fehlende Strafgesetzbuch ersetzen müssen, Geld eine erhebliche Rolle spielt. Das gilt nicht nur für Mordprozesse, bei denen arme Schwarze grundsätzlich härter als wohlhabende Weiße bestraft und besonders gern zum Tod verurteilt werden, sondern erst recht für Wirtschaftsverfahren. Beim Geld hört der Spaß auf, für manche fängt er da allerdings erst an.

2007 hat das Internet-Klatschmagazin Gawker die Wahrheit bekannt gemacht, nämlich dass Peter Thiel, der in Deutschland geborene Mitgründer von Paypal, homosexuell ist. Das Erwerbsmodell Gawker besteht darin, dass es journalistischen Klatsch verbreitet und das veröffentlicht, was nicht öffentlich werden soll. Nachdem das neuere Hollywood davon immer weniger bietet und auch Johnny Depp sich nicht mehr jeden Tag von seiner Frau trennt, ist die neue Bewusstseinsindustrie im Silicon Valley interessant geworden. Dort arbeiten nicht bloß hipstrige Erfinder und langweilige Computer-Nerds, sondern ausgewachsene, aber noch recht junge Milliardäre, die in kürzester Zeit weltweit zu Idolen geworden sind. Sie profitieren wie niemand sonst von der Meinungsfreiheit und noch mehr von der Mitteilungssucht ihrer Kundschaft, wollen ihr eigenes Leben aber um keinen Preis in der Öffentlichkeit verhandelt sehen.

Auch Peter Thiel wollte seine sexuelle Orientierung nicht bekannt gemacht haben. Er hat mehr Geld verdient, als irgendjemand in seinem Leben verbrauchen kann, aber gegen Gawker war selbst er machtlos. Doch mit viel Geduld konnte er sich jetzt nach neun Jahren für sein Zwangs-Outing rächen. Gawker, auch sonst auf Prominente und ihr Privatleben konzentriert, hatte ein Video veröffentlicht, das Terry Bollea, der unter dem Namen Hulk Hogan als Amerikas bekanntester Wrestler wirkte, beim Sex mit einer Frau zeigte, mit der er nicht verheiratet war. Hogan erwirkte inzwischen einen vom Richter bestätigten Schadenersatzanspruch von 140 Millionen Dollar gegen Gawker. Am Mittwoch gab Thiel in einem Gespräch mit der New York Times zu, dass er den Ex-Wrestler unterstützt und damit zum Erfolg geführt habe.

Prominenter Geldgeber: PayPal-Gründer Peter Thiel hat mehr Geld verdient, als irgendjemand verbrauchen kann. Gegen das Zwangs-Outing durch das Portal "Gawker" war er jedoch machtlos.

PayPal-Gründer Peter Thiel hat mehr Geld verdient, als irgendjemand verbrauchen kann. Gegen das Zwangs-Outing durch das Portal "Gawker" war er jedoch machtlos.

(Foto: Scott Olson/AFP)

"Weniger um Rache als um eine besondere Form von Abschreckung" sei es ihm gegangen, erklärt Thiel. Zu seinem Glück verfügt er über Mittel, die andere nicht haben. Die zehn Millionen, die er zur Unterstützung Hogans aufgewendet hat sind für ihn - oder wie sich Thiel ausdrückt: für "Leute meiner Kategorie" - weniger als Peanuts. Sie halfen Hogan aber, durchzuhalten bis zu seinem Sieg mit der überraschend hohen Entschädigungszahlung. Insofern war es ein Sieg des Geldes. Unvermeidlich ist ein Streit darum entbrannt, ob sich Milliardäre ihr echtes oder vermeintliches Recht erkaufen können.

Brav ist das Portal nicht. Aber auch Gawker lebt von der Meinungsfreiheit

Anders als es die Väter und Mütter des Grundgesetzes wollten, ist die Würde des Menschen, wie jeder User mit noch der mickrigsten Wlan-Verbindung bestätigen kann, recht antastbar. Beschimpfungen, Schmähungen und manchmal auch Todeswünsche sind das täglich Brot für den, der es wagt, sich politisch zu äußern. Er kann sogar von Glück sagen, wenn nicht auch ein ehemals guter Freund Details aus dem ehemals guten Zusammenleben zur Verfügung stellt und ein paar Fotos von Körperteilen dem allgemeinen Amüsement ausliefert. Geld mag da helfen, aber die Würde ist trotzdem hin.

Gawker ist begreiflicherweise nicht begeistert über Thiels Engagement. Mit pharisäischer Routine verteidigt sich das Unternehmen und verweist auf seine verdienstvollen Enthüllungen, die von den traditionellen Medien aufgegriffen wurden, darunter auch die Vorwürfe zu Bill Cosbys Umgang mit Frauen und über eine angeblich politisch motivierte Auswahl der "Trending Topics" bei Facebook, was frühere Mitarbeiter behaupten, das Unternehmen aber bestreitet.

Ansichtssache

"Weniger um Rache als um eine besondere Form von Abschreckung" sei es ihm gegangen, sagt Thiel.

Nach eigenen Angaben hat Gawker im vergangenen Jahr 45 Millionen Dollar an Werbeeinnahmen erzielt und sieben Millionen Dollar Gewinn gemacht. Der Schadenersatz, der dem Wrestler Hogan zugesprochen wurde, könnte das Unternehmen ohne Weiteres ruinieren. Vorsichtshalber hat Gawker, wie amerikanische Medien berichten, einen Investmentberater engagiert, der die Optionen prüfen und einen möglichen Verkauf in die Wege leiten soll. Es trifft gewiss keine Waisenknaben. Falls ausnahmsweise die gute Sache gesiegt haben sollte und Geld tatsächlich für den edlen Zweck Gerechtigkeit investiert worden ist, wird dafür womöglich ein Unternehmen ruiniert, das wie Google, wie Facebook (bei dem Thiel im Aufsichtsrat sitzt) von der Meinungsfreiheit lebt.

Gawker heißt auf Deutsch Glotzer. Bert Brecht hatte seine Zuschauer einst aufgefordert, nicht so romantisch zu glotzen. Das Glotzinteresse hat im Internet einiges von seiner Romantik verloren. Inzwischen gilt die schlichte Weisheit des Philosophen Peter Sellers: "I like to watch."

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