Süddeutsche Zeitung

Promi-Spezial zu "Wer wird Millionär?":Kristina Schröder buhlt vergeblich

Eigentlich müsste ein Auftritt bei "Wer wird Millionär?" jeder Ministerin die perfekte Wahlkampfbühne bieten. Würde sie nicht so spröde wirken wie Kristina Schröder und säße sie nicht neben Drag-Queen Olivia Jones. Die hält das Publikum als Einzige mit plumpen Witzen und Obst halbwegs bei Laune.

Eine TV-Kritik von Carolin Gasteiger

Kirk Douglas muss man als Familienministerin nicht kennen. Warum auch, wenn sich der Joballtag um Betreuungsgeld und Frauenquote dreht? Ein paar Pünktchen auf der Beliebtheitsskala dürfte es Kristina Schröder aber schon gekostet haben, als sie zwar US-Schauspieler Michael Douglas kannte, ihr aber dessen Vater Kirk kein Begriff war. Zum Glück haben ihr ihre Mitstreiter noch mal aus der Patsche geholfen.

Während die Pegelstände der Flüsse in Deutschland am Montagabend Rekordwerte erreichen, bietet RTL mit der Promi-Ausgabe von "Wer wird Millionär?" Ablenkungsprogramm. Dafür sollen Fernsehkoch Steffen Henssler (der aus der Handywerbung), Comedian Olli Dittrich, Drag- und heimliche Dschungel-Queen Olivia Jones und eben Familienministerin Kristina Schröder sorgen.

Letztere war wohl geladen, um der RTL-Sendung das Etikett "pädagogisch wertvoll" zu verleihen. So betonte Moderator Günther Jauch eingangs: "Es war nicht ganz leicht, Menschen aus der Politik zu uns zu bekommen." Aber nicht doch, es ist ja Wahlkampf! Und angesichts der mauen Umfragewerte dank persönlicher Misserfolge wie Familienpflegezeit oder Umsetzung der Betreuungsquote kann der CDU-Ministerin ein TV-Auftritt in der deutschen Familien-Quiz-Institution schlechthin eigentlich nur von Nutzen sein. Allein: Ihr sprödes Image wird sie so einfach nicht los.

Ihr Mann habe sie vor der Sendung noch die europäischen Hauptstädte abgefragt, so Schröder, "Geografie ist nicht so mein Spezialgebiet". Jauchs Antwort: "Die fragen wir hier eigentlich gar nicht mehr." Dass die Ministerin schließlich trotzdem 125.000 Euro für einen guten Zweck gewinnt, mag an den nicht gestellten Geografiefragen liegen. Auch wenn sie anfangs noch von den für "Wer wird Millionär?" üblichen Wortspielfragen verwirrt war ("Habt ihr das gleich kapiert?") - mit vielen Jokern und Rückendeckung durch ihre Mitspieler fährt Schröder schließlich das beste Ergebnis des Abends ein. Aber abgesehen von der Gewinnsumme bleibt die Ministerin die Sendung über blass und langweilig. Da helfen auch keine Sprüche mehr wie "Wag ich das? Wär natürlich cool".

Vielleicht aus genau diesem Grund sitzt neben der Familienministerin die quietschbunte Olivia Jones. Die Drag-Queen verpasst keinen platten Spruch und keinen lahmen Gag - besonders, wenn es um den Gastgeber geht, das Ziel ihrer entschlossenen Avancen an diesem Abend. "Das ist die Nacht der Nächte" wurde sie vorab auf der RTL-Webseite zitiert. Und gewohnt schrill und aufdringlich gibt sie sich auch in der Sendung. Extra-Bierchen statt Wasser für Frau Jones (ob es tatsächlich Bier war, sei dahingestellt)? Kein Problem. Eine Banane als Nervennahrung, obwohl sie noch gar nicht auf dem Kandidatenstuhl Platz genommen hat? Aber klar! Als Olli Dittrich über einer Frage grübelt, bringt Jones mit dem Obst zumindest das Publikum zun beherzten Lachen.

Comedian Dittrich, der in "Frühstücksfernsehen" Moderatoren und TV-Figuren aller Art aufs Schrägste und Lustigste persifliert tritt bei Jauch überraschend normal auf. Abgesehen von einer ganz netten Rudi-Carrell-Imitation wirkt er ernst, bisweilen sogar gelangweilt. Vielleicht ist einfach der Kontrast zwischen dem Comedian auf der Bühne und dem Comedian als Privatperson zu groß. Wirklich unterhaltsam ist Dittrich erst, als er seinen Telefonjoker ins Spiel bringt. Denn Literaturkritiker Hellmuth Karasek beantwortete eine Frage zum JFK-Flughafen in New York direkt von einer Lesung aus und lässt das dortige Publikum per Lautsprecher an der RTL-Sendung teilhaben. Dittrich nach richtig beantworteter Frage: "Dem kauf' ich ein neues Handy."

Auch Fernsehkoch Hensslers Telefonjoker sorgt für Stimmung, indem er Jauchs ausufernde Belehrungen auf den Punkt kommentiert: "Vielen Dank für Ihre Hilfe, ohne die alles viel einfacher gewesen wäre." Mit bissigen Bemerkungen hält sich Jauch bei den normalen Kandidaten ja bekanntermaßen wenig zurück, gibt gern den erhabenen Spielleiter und allwissenden Intellektuellen. Anders bei den Promis. Hier gibt er allenfalls Miss Jones Kontra - und die verträgt das.

Kaum auf dem Stuhl, hagelt es plumpe Anspielungen ("Sie ordnen sich jetzt mal untenrum, Herr Jauch", der Moderator verliert fast sein Mikro). Ihr Herumgezappel nervt zusätzlich: Die Tatsache, dass Jauch und Jones dieselbe Schuhgröße haben, verleitet die Drag-Queen natürlich zum Schuhtausch - und der Moderator stakst in silbernen Pumps mit lila Schleifchen über die Bühne.

All das ist alles andere als aufregend, auch nicht wirklich unterhaltsam. So gesehen also: Dumm gelaufen für die Ministerin. Noch im März waren nur 29 Prozent der Wähler der Meinung, Kristina Schröder solle in Zukunft eine wichtige Rolle in der Politik spielen. Ihr Auftritt bei Jauch dürfte die Zustimmungsraten nicht wesentlich erhöht haben. Vielleicht hätte sie sich statt der europäischen Hauptstädte einfach mal Spartacus ansehen sollen.

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