Süddeutsche Zeitung

Profiteure des Serien-Hypes:Lust am Einschlag

Durch "Blockbustaz" und "Hindafing" wurde die kleine Münchner Neue Super eine der gefragtesten Produktionsfirmen des Landes. Das nächste Projekt: nicht weniger als der Weltuntergang.

Von Kathrin Hollmer

Mit dem Blauen Engel fing alles an. Im ersten Büro von Simon Amberger, Korbinian Dufter und Rafael Parente, einer unbeheizten Halle neben der Filmhochschule in München, hing das Filmplakat. Das Logo des Verleihs - Super Film - gefiel ihnen so gut, dass sie ihre Produktionsfirma danach benannt haben: Neue Super. Super Film gab es damals nicht mehr, allerdings gab es die Wiener Produktionsfirma Superfilm des sehr österreichischen Regisseurs und Autors David Schalko (Braunschlag, Altes Geld). Davon erfuhren sie aber erst später.

Nach ihren ersten beiden Serien, Blockbustaz und Hindafing, gehören Amberger, Dufter und Parente zu den gefragtesten Produzenten in Deutschland. Im Vergleich zu Herstellern wie Wiedemann & Berg (4 Blocks, Dark) oder X Filme (Babylon Berlin) ist ihre Firma kleiner. Lange haben sie versucht, alle Aufgaben gemeinsam zu erledigen, inzwischen haben sie zwar Projektentwicklung, Geschäftsführung, Personal und Werbeproduktion ordentlich verteilt, bis heute sitzen sie aber selbst in den Writers' Rooms ihrer Projekte. Bisweilen hatten ihre Serien einen gewissen Selfmade-Charme, vor allem aber hat Neue Super mit teils absurdem Humor, einer präzisen Milieu-Recherche und ambivalenten Figuren einen eigenen Stil entwickelt. Nun hoffen sie, dass das Geschäft mit Serien mehr ist als ein Hype, der vorübergeht. Aber Neue Super und das Serienfernsehen haben sich wohl gesucht und gefunden.

Früher scheuten sie die Regeln der TV-Welt. Bis sie merkten: Es sind weniger als gedacht

Amberger, 35, Dufter, 29 und Parente, 34, kennen sich seit ihrem Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF). Amberger und Parente waren in der Produktionsklasse, Dufter hat Regie studiert. Schon damals produzieren sie zusammen ihre Hochschulfilme, beschäftigen Praktikanten und teilen Produktionsleitungen ein, um mehr Projekte gleichzeitig voranzubringen. 2010, am Ende ihres ersten Jahres, gründen sie ihre Firma, die heute in München-Sendling sitzt, und finanzieren ihre Filme mit Werbeaufträgen. Ihre ersten Filme,-darunter Eastalgia, der 2012 die Hofer Filmtage eröffnete, und Totes Land - werden mehrfach ausgezeichnet. Finanzieller Erfolg bleibt erst mal aus.

2012 schließen sie ihr Studium ab. Was das eigentlich für eine Zeit war? Jedenfalls keine glorreiche für junge Filmer.

Es gibt kaum Stellen und Neugründungen. Viele Kommilitonen tun sich schwer, einen Job zu finden. "Der deutsche Fernsehmarkt war schwierig, die Degeto reduzierte nach dem Skandal um die Überproduktion ihre Aufträge, viele Fernsehfirmen gingen in Konkurs, und im Kino funktionierte nur das Triumvirat aus Schweiger, Schweighöfer und M'Barek", sagt Dufter. Auch nach dem Studium bezahlen sie sich die ersten Jahre kaum Gehalt aus.

Aber was dann kommt, wird der Anfang von etwas Größerem. Bewusst streben sie nach einer Spezialisierung für ihre Firma und finden die in der Serie - zu einer Zeit, in der das Genre in Deutschland noch nicht so wahrgenommen wird. Auf Tour für Eastalgia erzählt ihnen ein italienischer Journalist begeistert von Breaking Bad. "So etwas wollten wir auch machen", sagt Parente. Damals ist nicht klar, dass sich der Serientrend in Deutschland durchsetzt. "Dramaserie war in Deutschland die absolute Nische", sagt Parente. Eine Ausnahme ist Dominik Grafs Serie Im Angesicht des Verbrechens (2010), die drei Herren von Neue Super sind große Fans.

Und dann hatten sie plötzlich alles richtig gemacht. Als in Deutschland die ersten Sender Serien ausschreiben, besitzen sie bereits Konzepte, zunächst für eine Sitcom. 2014 gewinnen sie mit der Pilot-Episode von Blockbustaz die Zuschauerabstimmung des "TVLab" von ZDF Neo - mit etwa fünfmal so vielen Stimmen wie die zweitplatzierte Serie. Blockbustaz spielt in einer Kölner Plattenbausiedlung, die zweite Staffel startet kommenden Dienstag und die Hauptrollen sind mit den Rappern Eko Fresh und Ferris Hilton (Sascha Reimann) sowie der Youtuberin Joyce Ilg besetzt. Blockbustaz ist keine Serie über die Jugend- und Netzkultur. Sondern mit ihr.

In der Zeit, in der Amazon, Netflix und Sky mit ihren deutschen Eigenproduktionen You Are Wanted, Dark und Babylon Berlin Mammutprojekte herstellen, liefert Neue Super mit Hindafing etwas komplett anderes - eine Provinzsatire. Die Serie mit Maximilian Brückner als Crystal-Meth-süchtiger bayerischer Bürgermeister, der sich in immer dubiosere Geschäfte verstrickt, ist oft beängstigend nahe an echter Lokalpolitik - und so anarchisch, dass der BR vielleicht selber angenehm überrascht war, wie viel man sich traute.

Hindafing wird unter anderem für den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis nominiert, inzwischen läuft die Serie auch auf Netflix - und ist in die USA verkauft. Im Februar sichert sich Fox 21 Television Studios die Remake-Rechte. "Sehr renommierte Leute" und "ein großer Produzent" seien beteiligt. Mehr verraten die drei noch nicht. Es steht noch nicht fest, ob sie am Remake beteiligt sein werden. Wenn eine bayerische Satire zum Exportgut für den US-Serienmarkt wird, muss sie etwas sehr richtig gemacht haben.

"Zu Hochschulzeiten haben wir uns nicht so für Fernsehen interessiert, weil wir dachten, dass es da viele Regeln und Beschränkungen gibt", sagt Parente. Bei Blockbustaz haben sie gemerkt, dass es weniger sind als gedacht. Inzwischen machen Kinoregisseure wie Tom Tykwer und Hans-Christian Schmid Serien, und aus der Nische ist ein riesiger Markt geworden. Amberger, Dufter und Parente beschäftigen heute acht Angestellte, demnächst wollen sie internationale Projekte angehen. Ihnen ist klar: Das ist ihre Zeit.

Es ist eine neues goldene Fernsehära. Durch die Konkurrenz von Streaming-Portalen experimentieren die Sender wieder mehr. "In fünf Jahren wird man über die Zeit jetzt sprechen wie wir in der Filmhochschule über die Zeit, als das Privatfernsehen an den Start ging, als Filmemacher plötzlich völlig neue und gewagte Projekte an die Sender verkaufen konnten", sagt Amberger. Der Hype bedeutet aber, dass der Kampf um gute Leute härter wird. Neue Super wirbt um sie, wenn sie Autoren wie Niklas Hoffmann (Blockbustaz) mehr Produktionsverantwortung geben. "Autoren erhalten in der deutschen Filmbranche oft nicht das Maß an Wertschätzung, das sie verdienen", sagt Parente. Mit dem Regisseur und Drehbuchautor Jakob Lass entwickeln sie eine improvisierte Comedy-Serie über eine Berliner Essenslieferantin.

Gerade sitzen die drei an mehr als zehn Projekten. Auch für eine Fortsetzung von Hindafing stehen "die Vorzeichen gut", sagt Dufter. Im Herbst startet auf Sky ihre Apokalypse-Serie Acht Tage. In acht Folgen wird jeweils ein Tag vor dem drohenden Weltuntergang aus Sicht einer Berliner Familie erzählt - bevor der Asteroid, der auf die Erde zurast, in Europa einschlagen soll. Regie führen der Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky (Die Fälscher) und Michael Krummenacher (Heimatland). Mit einem deutschen Sender verhandeln sie über Luden, eine Serie über die Ludenkartelle im Hamburger Rotlichtmilieu Ende der Siebziger und die erste weibliche Polizistin in der Davidwache auf der Reeperbahn. Außerdem planen sie eine Science-Fiction-Serie, die auf dem Mars spielt.

Unterschiedlicher könnten ihre nächsten Projekte kaum sein - ambitionierter auch nicht. In ihren Produktionen hat sich bisher das Budget jeweils etwa verdoppelt. Das könnte man groß erklären, oder auch einfach so, wie es Amberger tut: "Man braucht mehr Geld, um die Welt untergehen zu lassen."

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Quelle:
SZ vom 24.03.2018
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