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Probleme  durch Vielfalt:Kompetenz ist der beste Helfer

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Jugendmedienschutz im Wandel: 25 Jahre FSF und die Frage, wie Selbstkontrolle im digitalen Zeitalter funktioniert. Der Dialog mit allen beteiligten Akteuren wird immer wichtiger.

Von Jacqueline Lang

Smartphone, Tablet, Laptop oder Fernseher. Die Geräte, auf denen Jugendliche heutzutage Filme, Serien oder Videos schauen können, sind ähnlich vielfältig wie das Angebot, aus dem sie wählen können. Allzu ernst nehmen es beim Jugendschutz dabei längst nicht alle Verantwortlichen - das liegt vor allem an Gesetzen, die nicht für alle in gleichem Maße gelten, aber auch an der fehlenden Zusammenarbeit einzelner Kontrollinstanzen.

Davon zumindest ist Claudia Mikat überzeugt. Sie ist seit Januar die neue Geschäftsführerin des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen, kurz FSF. Der vor 25 Jahren gegründete Verein vergibt Altersfreigaben für TV-Programme von Privatsendern. Als der Verein 1994 seine Arbeit aufnahm, war das Angebot noch überschaubar, sagt Mikat. Jugendschutzrelevantes sei einfach zu identifizieren gewesen. Heute sei das anders. Trotz aller Herausforderungen ist sie sich aber sicher: "Das Fernsehen ist nicht tot."

Ein bisschen weniger optimistisch ist Egbert van Wyngaarden. Bei der gemeinsamen Veranstaltung Medien Impuls von FSF und Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) am Donnerstag sagt der Professor der Macromedia Hochschule München: Die "unmündige Einbahnstraße" des linearen Fernsehens sei ein Auslaufmodell. Man müsse die "Monokultur beenden" und Entertainment personalisieren, neue Wege gehen. Sein Vorredner Tobias Krafft von der Technischen Universität Kaiserslautern wiederum sieht genau in der zunehmenden Personalisierung Risiken für Kinder. Es bestehe die Gefahr der Manipulation, warnt Krafft.

Die Themen, mit denen Wahlen gewonnen werden, sind identisch mit den Klassikern der Boulevardmedien

Heutzutage kann jeder alles im Internet finden, er muss nur danach suchen. Aus Sicht von Mikat geht es deshalb nicht mehr nur allein darum, Altersfreigaben zu vergeben, sondern auch darum, mit allen Akteuren in den Dialog zu treten: mit den Anbietern, aber auch mit Eltern sowie den Kindern und Jugendlichen selbst. "Der beste Jugendmedienschutz ist eine gut ausgebildete Medienkompetenz", sagte auch Murad Erdemir der TV Diskurs. Die vom FSF herausgegebene Zeitschrift hatte anlässlich des Jubiläums zahlreiche Experten rund um das Thema Jugendmedienschutz befragt. Mikat selbst sagt, denkbar wäre zum Beispiel die Einrichtung einer Jugendkommission.

Die zunehmende Verlagerung ins Digitale bedeutet aber auch, dass sich Arbeitsweisen verändern müssen. Systeme zur Altersklassifizierung, die auf der Basis von Algorithmen arbeiten, werden immer häufiger zum Einsatz kommen. Das bedeute aber nicht, dass man auf Menschen als Kontrollinstanz verzichten könne - im Gegenteil, erklärt Mikat. Auch Nicole Müller ist sich da sicher: "Ein moderner Jugendmedienschutz schließt beide Systeme mit ein." Sie arbeitet für das rheinland-pfälzische Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz. Auch Müller wurde für die Ende April erscheinende TV Diskurs befragt. Ab 2020 soll zudem eine neue EU-Richtlinie für mehr Transparenz sorgen. Die Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD) soll Rundfunk und sogenannte Video-on-Demand-Dienste gleichstellen. Eine Lösung für Angebote wie die von Netflix oder Youtube ist das aber längst nicht. Für die ausländischen Anbieter gelten noch einmal andere Regularien. Häufig sind diese weniger streng als jene, die sich die deutschen Selbstkontrollen auferlegt haben. "Information, Transparenz und Partizipation werden in naher Zukunft immer wichtiger", sagt Mikat. Sie hofft deshalb, dass eine bessere Zusammenarbeit der Kontrollinstanzen in Zukunft gelingt. Nur so könne der Jugendschutzgedanke gestärkt werden.

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SZ vom 05.04.2019
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