Pro Sieben Sat 1: Thomas Ebeling:Ein Mann, vier Säulen

Seit zwei Jahren baut Thomas Ebeling den Konzern Pro Sieben Sat 1 um, jetzt steht er vor seiner schwersten Aufgabe: Er muss für neues Wachstum sorgen.

Caspar Busse und Hans-Jürgen Jakobs

Die alte Welt klebt auf einem Zettel im gläsernen Außen-Aufzug der Firmenzentrale. Das Papier zeigt die quotenstärksten Sendungen des Vortags. Navy CIS lief gut auf Sat 1, natürlich Kill Bill auf Pro Sieben oder Werner - Gekotzt wird später auf Kabel 1. Privatfernsehen ist nichts für Zartbesaitete.

Jahrespressekonferenz der ProSiebenSat.1 Media AG

Der Vorstandsvorsitzende der ProSiebenSat.1 Media AG, Thomas Ebeling, posiert nach der Jahrespressekonferenz mit einem Logo des Konzerns. Die Senderkette ProSiebenSat.1 hat im vergangenen Jahr Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert.

(Foto: dapd)

Die neue Welt preist ("Hoch hinaus!") Plateauschuhe. Und bei Zalando im Internet gibt es auch schöne Hochfrontpumps in Budapester Optik. Der Online-Schuhversender ist bei Frauen zwischen 19 und 39 Jahren beliebt - und bei der Pro Sieben Sat 1 Media AG. Der Konzern kassiert beim Umsatz Zalandos mit.

Hier das herkömmliche Fernsehen, dort ganz viele Geschäfte drumherum - das sind die beiden Welten des Münchner Konzerns. Und mittendrin: Thomas Ebeling, 52. Wenn der Vorstandschef an diesem Freitag auf der Hauptversammlung in der Münchner Messe auftritt, muss er die Welten in Balance bringen. Dann wird er den Aktionären seinen Plan vortragen, dass sich jenseits des deutschen TV-Geschäfts vieles dynamisch entwickeln soll. Der Umsatzanteil dieser neuen Märkte, inklusive Geschäften wie jenem mit Zalando, könnte von heute 15 auf bis zu 50 Prozent steigen. Das ist der Stoff, der Börsianer zum Träumen und die Aktienkurse in die Höhe bringen soll.

Seit mehr als zwei Jahren baut Ebeling Pro Sieben Sat 1 um, jetzt kommt seine schwerste Aufgabe: Er muss für neues Wachstum sorgen.

"Bei Pro Sieben Sat 1 hat die Transformation auf allen Ebenen begonnen", erklärt der TV-Manager. Er sitzt beim Espresso auf der Dachterrasse direkt vor seinem Büro in Unterföhring, in der Ecke stehen Blumenkübel, ansonsten gibt es viel Beton. Hier brachte Georg Kofler vor 14Jahren für Leo Kirch den Sender Pro Sieben an die Börse. Nun geht es um Zuwachszahlen im zweistelligen Prozentbereich jenseits des alten Kerngeschäfts, des Fernsehens in Deutschland. Fernsehen bleibe "Leitmedium Nummer eins, in dem wir auch in den nächsten Jahren gute Wachstumsperspektiven sehen", sagt Ebeling. Doch es geht in seiner "Vier-Säulen-Strategie" um jene drei Bereiche, die eher noch Säulchen sind.

Die Säulen des Thomas Ebeling

Fernsehen im Ausland. Zur Gruppe gehören schon einige TV-Kanäle in Skandinavien. Sie sollen Begleitung bekommen, am besten durch Fernsehen in arabischen und asiatischen Ländern. "Den Kauf von Sendern außerhalb Europas schließe ich nicht aus", erklärt Ebeling. Wenn es Möglichkeiten gebe, schaue man genau hin: "100 Millionen Euro für einen Sender, der es wert ist, darüber kann man nachdenken." Den jüngsten Verkauf von TV-Kanälen in den Niederlanden und in Belgien begründet er mit schlechten Aussichten dort und dem starken Gegner RTL Group. Der Verkaufserlös von 1,1 Milliarden Euro hat auch geholfen, die immense Schuldenlast des Konzerns zu drücken.

Produktion. Zu Ebelings Revier gehören bereits 15 Firmen, die Shows und Filme herstellen. In England und den USA fühlt er sich gut vertreten. Mit wenig Aufwand könne man gut in fremde Märkte eintreten. Dem Vernehmen nach kommen China und Indien hinzu.

Neue Medien. Dazu gehören zum Beispiel Online-Games, wie sie die jüngst gekaufte Firma Burda:ic anbietet. In diesem Feld will Pro Sieben Sat 1 unter die größten Drei Europas kommen, heute sei man unter den Top Fünf. Auch wird das eigene soziale Netzwerk lokalisten.de, das im Wettbewerb mit Facebook fast untergegangen ist, zur Online-Spiele-Plattform Spielwiese.com. Den Online-Verkauf von Videos wiederum soll das eigene Portal Maxdome antreiben. Und schließlich gibt es den Bereich "Commerce", der Musiker wie Lena vermarktet und Beteiligungen an Firmen hält, die für teure Fernsehwerbezeit nicht nur mit Euros, sondern auch mit Umsatzbeteiligungen und Geschäftsanteilen bezahlen. Auf diese Weise mischt Ebeling bei Zalando und 20 weiteren Firmen mit. Dieses Geschäft, "media for revenue", bringt jährlich einen operativen Betriebsgewinn (Ebitda) von 30 Millionen Euro.

"Wir müssen mehr aus unserer Währung Werbezeit machen", erklärt Ebeling. Aus der Hoheit über Reklameblöcke wird ein Hebel, um womöglich als Firmeninvestor zu glänzen. Und so hat sich Ebeling in den Verträgen mit den Partnerunternehmen Optionen auf ein Verkaufsrecht von Anteilen ("Put") oder auf weitere Zukäufe in einigen Jahren ("Call") einräumen lassen.

Jenseits solcher Wachstums-Ideen bleibt der tägliche Kampf um TV-Quoten. Da ist die RTL-Gruppe mit ihren Sendern leicht einteilt, sie kommt auf 35,7 Prozent Marktanteil in Deutschland. Ebelings Gruppe hängt bei 28,2 Prozent. "Wir sollten das Ziel von 30 Prozent nicht aus den Augen verlieren", mahnt er. Der Rückstand ist vor allem das Problem von Sat 1 und damit von Senderchef und Fernsehvorstand Andreas Bartl. Vor 20 Jahren hat der Sender mal RTL den Rang abgelaufen - mit Serien, Bundesliga, Margarethe Schreinemakers und Talk im Turm. Das wurde alles zu teuer. Später kamen die Pfennigfuchser.

Ein bisschen prollig

Nun erkennt Konzernchef Ebeling, dass RTL aus Köln im Erzählen von Geschichten manchmal besser sei als Sat 1. "Wir brauchen mehr Bottrop und weniger P1", hat er offenbar in internen Treffen verfügt. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen soll Sat 1 ankommen, ein bisschen prollig darf es sein und nicht so etepetete wie in Münchens Nobeldisko. Ein "Format Development Board" kümmert sich jetzt um die gewünschte Ware, mit Ex-RTL-Chefplaner Klaus Henning. Auch soll das viele Geld, das durch den Wegfall der Champions League im kommenden Jahr frei wird - für Ebeling ein "Glücksfall" - in lokale TV-Produktionen wandern. Angeblich hatten die Münchner nur 25 Millionen Euro jährlich für die Fußballrechte geboten, das ZDF bekam für mehr als 50Millionen Euro den Zuschlag.

Ebeling weiß auch, dass neue Gesichter für Sat 1 her müssen: "Die Fernsehtalente auf dem Bildschirm von heute sind oft schon die Talente von gestern." Er schätzt Harald Schmidt, der nach gehaltsfetten Jahren bei der ARD zu Sat 1 zurückkommt, und die Wiederaufbereitung der Serie Wolffs Revier. Und da ist der mäßig erfolgreiche Johannes B. Kerner oder die nicht so erfolgreiche Wiederaufnahme der Wochenshow. Er sei "für neue Formate, nicht für Retro-Fernsehen", gibt Ebeling zu Protokoll.

Der Mann, den sie intern nur "TE" nennen, ist ein DVD-Junkie. Film auf Film zieht er sich rein. Zuletzt hat er sich die TV-Krimiserie The Killing angeschaut, die amerikanische Adaption von Kommissarin Lund aus Dänemark. Sie spielt in Seattle und sei düster, aber gut gemacht, sagt Ebeling. Ihm ist klar, dass so etwas nichts für den Kill-Bill-Werner-kotzt-Massengeschmack ist - aber er möchte auch solche Produktionen auf deutsche Bildschirme bringen.

Deshalb lässt er nun an einem neuen Sender werkeln - für männliche Entscheider ("Best Ager"), die viel Geld haben und zwischen 45 und 65 Jahre alt sind. Sendestart könnte in der zweiten Jahreshälfte 2012 sein. Das Projekt leitet Katja Hoffem-Best, die bereits den Frauensender Sixx entwickelt hat. "Ein Schuss DMax, Sport 1, Arte und Pro Sieben", gibt Ebeling als Konzept vor: "Zielgruppe sind Leute, die mit Pro Sieben groß geworden sind, denen aber manche Formate heute einfach zu jung sind."

Best-Ager Ebeling hat in seiner beruflichen Karriere für Zigaretten, Limonade und Pillen gearbeitet. Nach dem Wechsel ins TV-Lager Anfang 2009 sanierte er erst mal: Sat 1 von Berlin nach München gewechselt, den Nachrichtensender N 24 verkauft, den Mitmachsender 9Live geschlossen, Sender in den Benelux-Ländern abgestoßen. Gleichzeitig musste der Konzern durch eine der tiefsten Wirtschafts- und Werbekrisen.

Jetzt hat er die erste Hälfte seines laufenden Fünf-Jahres-Vertrags hinter sich: Halbzeit. Bergfest. Nun kommt der schwerere Part: die Wachstumsstory. Und das alles mit einem Vorstand, der gerade mal drei Mann zählt. Der einstige Digital-Vorstand Dan Marks, der nach nur fünf Monaten im September wieder verschwand, ist noch immer nicht ersetzt. Ebeling stünde einer Erweiterung wohl positiv gegenüber. Derzeit kümmert sich Axel Salzmann um Finanzen und Bartl ums Programm. Ihm geht Ebeling auch noch zur Hand: An zwei Tagen in der Woche bezieht er sein Zweitbüro nahe der Holding der deutschen TV-Sender.

Eine solide Wachstumsstory brauchen auch die Eigentümer, damit sie verkaufen können. Der Aktienkurs, zwischenzeitlich bis auf 25 Euro gestiegen, liegt derzeit bei 19,50 Euro. Dem Vernehmen nach denken KKR und Permira bei 27 Euro an einen Ausstieg. Für eine richtige Kursexplosion würden wohl nur neue Verkaufsgerüchte und Übernahmephantasien sorgen. Aber KKR und Permira sind da vorsichtig geworden. Einen schnellen Ausstieg haben sie vorerst vom Spielplan genommen. Im Aufsichtsrat, der nach der Hauptversammlung tagt, soll der Job des Vorsitzenden turnusmäßig zurück an Götz Mäuser von Permira fallen, heißt es aus Finanzkreisen. Die vergangenen zwei Jahre hat Johannes Huth von KKR das Kontrollgremium geführt. Die Finanzinvestoren kontrollieren seit fünf Jahren die Mehrheit. Denkbar wäre auch die Wahl eines unabhängigen Aufsichtsratschefs gewesen. Das wollen die Investoren offenbar nicht.

Auf der Aktionärsversammlung kann Ebeling seinen Anteilseignern nach enttäuschendem slow start zu Jahresbeginn wohl Hoffnungen machen. Das zweite Quartal sei "besser als erwartet gelaufen", sagt er: "Wir sind weiterhin positiv gestimmt fürs Gesamtjahr." Seine Prognose: Rekordgewinn. Sein Selbstbild: "Viel versprechen und nichts halten, das ist nicht mein Motto."

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