Süddeutsche Zeitung

TV-Krimi mit Christoph Maria Herbst:"Ich kann noch mieser"

"Stromberg"-Darsteller Christoph Maria Herbst ìn einer neuen Rolle: Er ist der Pro-Sieben-Kommissar in "Kreutzer kommt" - eine wahre Herbstshow mit Kollateralschäden.

Hans Hoff

"Die Nacht, sie ist mein Freund, sie ist mir vertraut." Wenn ein Kommissar sich mit einem solchen Text einführt, kann man die Angelegenheit normalerweise gleich vergessen. Es soll offensichtlich ein bisschen nach einer Serie aus den 40er Jahren klingen, nach Humphrey Bogart riechen und wie einsamer Wolf an zynischer Soße schmecken. Wenn der Held dann noch den ganzen Film über einen Trenchcoat trägt, bleibt wenig Raum für Optimismus, und es folgt der Schluss: Das muss in die Hose gehen.

Doch das geschieht im Fall des neuen Pro-Sieben-Kommissars nicht direkt und das ist dem Hauptdarsteller zu verdanken. Der heißt Christoph Maria Herbst und ist vor allem wegen seiner Darstellung des Büro-Ekels Stromberg ein Begriff. Den Krimi Kreutzer kommt kapert er mit wenigen Szenen und wandelt die Mördergeschichte in eine große Showbühne für sich selbst um. Willkommen zur großen Herbst-Show.

"Kreutzer hat einen an der Waffel", sagt einer von der Spurensicherung und drückt sich damit noch gelinde aus. Kreutzer soll einen Mord aufklären. In einem Hotel, das unschwer als das Berliner Kempinski zu erkennen ist, wurde eine Barsängerin ermordet. Nun müssen alle Verdächtigen die nächsten vier Stunden, 37 Minuten und 48 Sekunden am Tatort bleiben. Das ist genau die Zeit, die Kreutzer sich gibt, um jeden Fall aufzuklären. Auch diesen.

Um an sein Ziel zu kommen, ist ihm jedes Mittel recht. Er lügt, betrügt, ist guter und böser Bulle in einer Person. Und er führt vor, dass fast jeder ein kleines Geheimnis mit sich herum trägt. Kreutzer bleiben diese Geheimnisse nicht verborgen, denn er ist nicht nur ein asozialer Rüpel wie der RTL-Serienmediziner Dr. House, er verfügt auch über die Beobachtungsgabe, die man beim verstörten US-Helden Monk lieben gelernt hat. Und von Cal Lightman aus der US-Serie Lie To Me kennt man die Fähigkeit, Menschen zu erkennen, die lügen.

"Warum lassen Sie das zu, dass ich so rede", herrscht der Kommissar einmal die versammelte Mannschaft an, nachdem er gerade einen Hotelbediensteten lautstark als schwul geoutet hat. Das ist Kreutzers Tour. Er provoziert alle, die nicht bei drei auf den Bäumen sind, und Unkorrektheit könnte sein Vorname sein, wenn er denn einen hätte. "Mies", sagt einmal ein Verdächtiger. "Ich kann noch mieser", entgegnet Kreutzer. Die Reaktionen sind fast immer kalkuliert. Trotzdem blutet des Kommissars Nase gleich mehrfach in diesem 93-Minüter.

"Ich durfte alle Wege gehen, die beim Tatort oder beim Polizeiruf verboten sind", sagt Drehbuchautor Christian Jeltsch (Tatort, Bella Block). Sieben Jahre hat er an seinem Kreutzer gearbeitet und ihn dann in die Hände eines sogleich begeisterten Hauptdarstellers gelegt. "Ich wäre schwachsinnig gewesen, wenn ich da nein gesagt hätte", urteilt Herbst und schildert den Kreutzer als "schillernde enigmatische Figur". "Ich habe die selber nicht ganz verstanden", skizziert er sein Verhältnis zu ihr.

Leider ist das Ergebnis jenseits der großen Herbst-Show ein bisschen mau. Was Regisseur Richard Huber (Tatort, Dr. Psycho) da inszeniert hat, lässt der Hauptfigur letztlich eine Spur zu viel Raum für bloße Posen. Kreutzer gefällt sich in seinem Sosein, und das wird gnadenlos ausgekostet. Dass die Story dabei mehrfach ins Spannungstal rutscht und schnell niemanden mehr interessiert, wer nun der Mörder ist, gehört zu den Kollateralschäden. Betrachtet man dazu noch die Lichtsetzung, die oft Atmosphäre verhindert anstatt sie zu kreieren, entsteht in der Summe das Bild eines Krimis, der keiner ist. "Jetzt's reicht's, Miss Marple", muss sich Kreutzer irgendwann von einem Verdächtigen anhören. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Kreutzer kommt, Pro Sieben, 1. November, 20.15 Uhr

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