Geschlechtergerechtigkeit in den Sendern:Frauen mit Macht

Geschlechtergerechtigkeit in den Sendern: Edith Heitkämper (rechts), Vorsitzende des Vereins Pro Quote Medien, stellt die Studie zur Geschlechterverteilung in journalistischen Führungspositionen im Rundfunk vor.

Edith Heitkämper (rechts), Vorsitzende des Vereins Pro Quote Medien, stellt die Studie zur Geschlechterverteilung in journalistischen Führungspositionen im Rundfunk vor.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Die zweite Pro-Quote-Studie zur Geschlechtergerechtigkeit in den öffentlich-rechtlichen Sendern zeigt: Der Frauenanteil, auch in Machtpositionen, ist deutlich gestiegen.

Von Jörg Häntzschel

Als Astrid Rawohl 1997 Sportredakteurin beim Deutschlandfunk wurde, erwartete man von ihr nicht nur, dass sie für bessere Stimmung unter ihren vier männlichen Kollegen sorgen sollte, man ließ sie durchaus auch mal Kaffee kochen. Die Großereignisse - Olympia, Fußball-WM - teilten die Männer hingegen unter sich auf. "Es dauerte Jahre, bis ich mal von der Frauen-Basketball-WM" berichten durfte. Seit zehn Jahren leitet sie nun die Redaktion und konstatiert: "Das Klima hat sich um 180 Grad geändert. Heute kommen Autoren zu mir und schlagen Themen wie ,Menstruationsprobleme von Spitzensportlerinnen' vor, die haben da keine Berührungsängste."

Ganz so rosig sieht es allerdings nicht überall aus in den deutschen Sendern, und erst recht nicht in den Sportredaktionen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Journalistinnen-Initiative Pro Quote, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Der 2012 gegründete Verein setzt sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern in den Medien ein und insbesondere dafür, dass die Hälfte aller Führungspositionen von Frauen besetzt werden. 2018 hat Pro Quote zum ersten Mal ermittelt, wie es um die Geschlechtergerechtigkeit in den deutschen Sendern bestellt ist, nun wurde die Studie wiederholt.

Mit überraschenden Ergebnissen, wie Edith Heitkämper, die Vorsitzende von Pro Quote, und die Autorinnen der Studie finden. "Uns hat erstaunt, wie weit einige Sender und Unternehmen auf ihrem Weg in die Parität gekommen sind", schreiben sie im Vorwort, um gleich darauf allerdings zu fragen, ob einige der Ergebnisse "zu schön" seien, "um wahr zu sein".

In den Belegschaften liegt der Frauenanteil bei den öffentlich-rechtlichen Sendern schon bei 50 Prozent. Aber auch das, was Pro Quote als "Frauenmachtanteil" bezeichnet, ist in vielen Sendern teils erheblich gestiegen. Der "Frauenmachtanteil" wird ermittelt, indem die Zahl der weiblichen Angestellten mit ihrer jeweiligen Position in der Hierarchie multipliziert wird. Eine Intendantin wird also erheblich stärker gewichtet als eine Volontärin.

Die Programmdirektorin des HR wird gegrillt, ihre Zahlen sind schlecht

An der Spitze des Rankings stehen danach der RBB mit 57,4 Prozent und die Deutsche Welle mit 50,8 Prozent. Nachdem der durchschnittliche Frauenmachtanteil aller öffentlichen Sender 2018 noch bei 37,7 Prozent lag, sind es mit 43,4 Prozent jetzt deutlich mehr. Umso beachtlicher ist das Ergebnis, wenn man die innere Trägheit der Öffentlich-Rechtlichen einberechnet. Darauf wies auch Gabriele Holzner hin, Programmdirektorin und stellvertretende Intendantin des Hessischen Rundfunks, die in der als Talkshow aufgezogenen Pressekonferenz von Pro Quote für das mit 29,4 Prozent desaströse Abschneiden ihres Senders regelrecht gegrillt wurde. Sie sei schließlich erst seit eineinhalb Jahren Chefin, konterte sie, seitdem habe sie praktisch alle freigewordenen Führungspositionen mit Frauen besetzt. Nur sei das manchmal gar nicht so einfach: "Wenn zwei Bewerber gleich gut sind, nehme ich die Frau, aber wenn der Mann besser ist, nehme ich natürlich den Mann." Wer Parität wolle, müsse zuallererst dafür sorgen, dass sich mehr Frauen für Führungsjobs bewerben.

Besonders stark männerdominiert sind - trotz der Berichte von Astrid Rawohl - nach wie vor die Sportredaktionen. In den Neunzigern betrug der Anteil der Sportjournalistinnen in Deutschland um die sieben Prozent, heute sind es zwischen zehn und 15. Dass der Anteil von Frauen in führenden Positionen laut der Studie inzwischen bei gut einem Drittel liegt, kann da fast schon als Erfolg gelten.

Das Problem, so Marc Hall, einer der Sportkoordinatoren beim NDR, sei in seiner Sparte weniger die Männerdominanz in den oberen Hierarchieetagen als bei den Redakteuren und Autoren und beim Publikum. Noch immer werde Sportberichterstattung vor allem von Männern für Männer gemacht. Mit dem "50:50-Projekt", das auch andere deutsche Sender von der BBC übernommen haben, versucht der NDR gegenzusteuern. Das Ziel dabei ist, die Geschlechtergerechtigkeit nicht beim Personal, sondern beim Programm umzusetzen. Die Hälfte aller Interviewpartner, Experten, Songinterpreten, Künstler, Porträtierten sollen Frauen sein.

Dass das besonders im Sport nicht einfach sei, gab Hall unumwunden zu. Es sei "eine Sache, die wir versuchen", erklärte er skeptisch. "Ob es klappt?" Beim Frauenfußball habe man jetzt zwar Zuschauerzahlen im zweistelligen Millionenbereich, dennoch: "Das ist eine Generationenaufgabe", meinte er, "das muss in den Köpfen selber entstehen." Auch HR-Frau Holzner fand - und nicht nur zur Entlastung ihres eigenen Hauses -, das Thema lasse sich nicht auf Stellenbesetzungen reduzieren: "Es geht darum, Frauen vor Kameras zu kriegen, Themen ins Programm und Frauen in Verantwortung. Alle drei zusammen sind wichtig."

Wie strittig allerdings selbst Letzteres noch ist, das zeigt die Tatsache, dass kein einziger privater Sender Zahlen zu den Geschlechterverhältnissen unter seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herausgeben wollte.

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