Primetime Emmy Awards:Das Fernsehen gewinnt

Vince Gilligan

Das Team der Serie "Breaking Bad" freut sich über den Erfolg.

(Foto: AP)

Die Primetime Emmy Awards dienen nicht nur der Selbstbeweihräucherung der Fernsehindustrie, die seit Wochen ein neues goldenes Zeitalter ausruft. Sie senden vor allem eine Nachricht an die Filmbranche: mit einer kurzweiligen Show und Gewinnern, die gewöhnlich Inhalte für die große Leinwand produzieren.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Merritt Wever präsentierte gleich zu Beginn dieses Abends, dass eine Dankesrede keine nervige Angelegenheit sein muss. Gewöhnlich zählen die Gewinner bei dieser Gelegenheit all jene auf, denen sie danken müssen (Familie, Kollegen), mit einem kurzen Hinweis auf die anderen Nominierten wird Bescheidenheit ausgedrückt. Wenn es die Zeit erlaubt, dann folgt noch eine kurze Werbung für die neue Staffel der Serie. So einfach und langweilig ist das normalerweise.

Nicht mit Wever. Sie hatte gerade ihren Preis als beste Nebendarstellerin in einer Comedyserie gewonnen. Sie stand auf der Bühne des Nokia Theaters und sagte einfach: "Thank you so much!" Kurze Pause. "I gotta go, bye!" Das war's.

Wever gab damit den Ton vor für die 65. Primetime Emmy Awards, die am Sonntagabend in Los Angeles vergeben wurden: kein unnötiges Gerede, ganz wenig Pathos, nur ja keine Langeweile. Diese Show sollte nicht nur der Selbstbeweihräucherung der Fernsehindustrie dienen, die seit Wochen ein neues goldenes Zeitalter ausruft. Es sollte vor allem eine Nachricht sein an die Filmbranche: Seht mal her, so unterhält man die Menschen heutzutage! Die Primetime Emmy Awards waren so, wie die Academy Awards gerne sein möchten.

Paradigmenwechsel ohne Tamtam

Das deutete sich schon auf dem Roten Teppich an: Zunächst kam der Oscar-dekorierte Hollywood-Veteran Kevin Spacey und sprach von einem "neuen Paradigma für die Fernsehindustrie". Dann kam der Oscar-dekorierte Hollywood-Veteran Michael Douglas und lobte das Fernsehen über den grünen Klee. Dann Matt Damon. David Fincher. Steven Soderbergh. Ben Affleck. Sie alle sprachen von den Möglichkeiten des Geschichtenerzählens beim Fernsehen, Spacey gar von einem "Paradigmenwechsel".

Auf der Bühne ging es weiter: Moderator Neil Patrick Harris verzichtete auf einen pompösen Auftritt oder einen öden Anfangsmonolog. Er verwies kurz darauf, dass es heutzutage möglich sei, überall fernzusehen - er selbst sehe sich gerade "American Horror Story" über seine Kontaktlinsen an. In diesem Moment schwenkt die Kamera bewusst auf Claire Danes, die gerade auf ihr Handy blickt. Es ist nicht klar, ob sie ebenfalls "American Horror Story" guckt oder einfach live von der Veranstaltung twittert.

Doch auch das gehört zum Fernsehen heutzutage: Nur noch rezipieren ist out, der Zuschauer ist über soziale Medien stets dabei, er darf mitreden. Die Produzenten von Serien bekommen über Twitter, Facebook und die Homepages der Serien gewissermaßen live mitgeteilt, wenn sie eine Folge verbockt oder für ein neues Glanzstück gesorgt haben. Deshalb gilt das Einblenden einer Schauspielerin, die etwas in ihr Handy tippt, nicht mehr als Zeichen einer langweiligen Show, sondern als Mit-der-Zeit-gehen.

Douglas veralbert Damon

Mehr als drei Stunden dauerte die Show, und sie war deshalb nicht langweilig, weil die Produzenten jene Teile, die vorhersehbar sind, auf ein Minimum reduzierten: Die Nominierten der jeweiligen Kategorien wurden schnell aufgezählt, die Gewinner mussten sich äußerst kurz fassen, sonst wurden sie schnell durch das Orchester von der Bühne hinunter komplementiert.

Es brauchte also eine der kürzesten Reden in der Geschichte (Wever), um Aufmerksamkeit zu erregen - oder eben eine witzige Einlage. Die gelang Michael Douglas, der als bester Schauspieler in einer Miniserie für seine Rolle in "Behind the Candelabra" ausgezeichnet wurde. Er veralberte Matt Damon, der im Fernsehen seinen Liebhaber verkörpert, und sagte: "Du verdienst wirklich die Hälfte davon. Magst Du lieber unten oder oben?"

Schon auf dem roten Teppich hatte Douglas für einen wunderbaren Moment gesorgt. Er ging auf Jim Parsons zu und erklärte ihm, wie sehr seine Kinder "The Big Bang Theory" mögen würden. Parsons ist überaus verblüfft über das Lob und sagt: "Sie sind so nett!" Douglas Reaktion: "Nein, bin ich nicht!" Also antwortet Parsons: "Nun, Sie sind nicht böse."

"Behind the Candelabra" war einer der großen Gewinner dieser Emmys. Elf Trophäen gewann der Film von Steven Soderbergh - acht bei den "Creative Arts Emmys" in der vergangenen Woche, drei an diesem Sonntagabend. Auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Es gibt einen Film von Steven Soderbergh mit Matt Damon und Michael Douglas - und der lief nicht im Kino, sondern im Fernsehen. Ein Fall, der in Zukunft öfter eintreten könnte, denn Soderbergh teilte kürzlich das Ende seiner Kino-Karriere mit. Er will sich lieber um Theater und Fernsehen kümmern.

Abschied von Gandolfini

Ein weiterer Gewinner des Abends war "Breaking Bad" als bestes Drama. Bryan Cranston (nominiert für den Preis als bester Hauptdarsteller) und Aaron Paul (nominiert für den Preis als bester Nebendarsteller) unterlagen in ihren individuellen Kategorien zwar überraschend gegen Jeff Daniels ("The Newsroom") und Bobby Cannavale ("Boardwalk Empire"), doch wurde Anna Gunn als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Und natürlich ist der Emmy für das beste Drama ein schönes Abschiedsgeschenk für die Serie, deren letzte Folge am kommenden Sonntag ausgestrahlt wird.

Als beste Comedyserie wurde zum vierten Mal in Folge "Modern Family" ausgezeichnet. Danach sah es zunächst nicht aus, weil alle nominierten Mitglieder des Ensembles (Julie Bowen, Ty Burrell, Sofia Vergara, Ed O'Neill und Jesse Tyler Ferguson) leer ausgegangen waren. Ausgezeichnet wurden statt dessen Jim Parsons ("The Big Bang Theory") und Julia Louis-Dreyfus ("Veep") als komischste Hauptdarsteller, die Preise für die Nebendarsteller gewannen überraschend Merritt Wever ("Nurse Jackie") und Tony Hale (Veep").

Weitere Gewinner in wichtigen Kategorien: David Fincher wurde als bester Regisseur eines Dramas ausgezeichnet - ansonsten ging die Netflix-Serie "House of Cards" leer aus. Claire Danes gewann erneut als beste Hauptdarstellerin ("Homeland") und Tina Fey bekam den achten Emmy ihrer Karriere, diesmal als Autorin der mittlerweile eingestellten Comedyserie "30 Rock".

Weil die einzelnen Auszeichnungen recht schnell über die Bühne gebracht wurden, bleib ein wenig Zeit, der verstorbenen Größen im Fernsehgeschäft zu gedenken - jeweils ein Kollege berichtete kurz über James Gandolfini ("The Sopranos"), Jean Stapleton ("All in the Familys") und Cory Monteith ("Glee"). Im Saal gab es kurz Diskussionen darüber, ob der Glee-Schauspieler diese Einzel-Honorierung verdiene, während etwa Larry Hagman nur als einer von vielen während des "in memoriam"-Requiems aufgezählt wurde.

Harris gibt den Ton vor

Fragwürdig waren dagegen zwei andere Einlagen: Carrie Underwood sang als Tribut an die Beatles - ihr Auftritt in der "Ed Sullivan Show" liegt 50 Jahre zurück - das Lied "Yesterday", das allerdings erst zwei Jahre nach diesem Auftritt auf den Markt kam. Und Elton Johns Tribut an Liberace startete genau in jenem Moment, in dem auf einem anderen Sender die vorletzte Folge von "Breaking Bad" begann.

Neil Patrick Harris durfte noch eine Musical-Nummer ("The Number in the Middle of the Show") zum Besten geben, zudem wirkte er bei der überaus unterhaltsamen Präsentation der besten Choreografien mit. Was Harris nicht tat: Er machte kaum Witze, er machte sich kaum über Kollegen lustig. Vielleicht kann auch das als Signal an Hollywood und seine gequält lustigen Zeremonien verstanden werden. Harris machte genau das, was er kann - und verzichtete auf den ganzen Rest.

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