Pressestimmen vor dem Viertelfinale:Merkel dribbelt, schießt ... Tooor!

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Drachme gegen Euro, Hellas gegen die Kanzlerin - oder doch nur ein Fußballspiel? Griechische Medien geben sich vor dem Viertelfinale heroisch und fordern den "Sieg der nationalen Einheit". Die deutsche Presse stichelt.

Felicitas Kock

Die Rollenverteilung vor dem EM-Viertelfinale am Freitag ist eindeutig. Die Griechen sind David, die Deutschen Goliath. Anstelle der David'schen Steinschleuder verfügt die Elf um die Abwehrstrategen Papadopoulos und Sokratis über Rehhagel'sche Defensivkünste. Die Deutschen halten den vom "Wundliegen" (TV-Experte Mehmet Scholl) erholten Mario Gomez als Speerspitze und Manuel Neuer als bronzenen Schuppenpanzer dagegen.

Angela Merkel Viertelfinale

Eine Wachsfigur von Angela Merkel im Deutschlandtrikot am Pariser Platz in Berlin. Die griechische Presse integriert die Kanzlerin großzügig in den deutschen EM-Kader.

(Foto: dpa)

Soweit die Metaphern zu diesem Viertelfinale. Für die Medien ist ein derart historisch anmutendes Spiel ein gern gesehener Zeilenfüller, zumal es sich scheinbar problemlos auf die wirtschaftspolitische Situation der beiden Länder übertragen lässt. Auf der einen Seite die von der Schuldenkrise gebeutelten, zu Sparmaßnahmen gezwungenen Griechen. Auf der anderen Seite die Bundesrepublik, die sich trotz der allgemeinen Wirtschaftsmisere noch ein dreifaches A-Rating leisten kann.

Besonders die griechische Presse bläst in diesen Tagen mit sportlich-politischen Analogien zum Kampf. "Der Santos-Plan für Deutschland: Euro-Austritt", titelte etwa die griechische Zeitung Ethnos und Protathlitis sprach von einem "Sieg der nationalen Einheit". Überraschend häufig taucht seit dem Feststehen der Viertelfinalgegner auch die deutsche Kanzlerin in der griechischen Sportberichterstattung auf. Großzügig wird sie in Jogi Löws EM-Kader integriert, wie etwa von der Zeitung Goal-News, die schreibt "bringt uns jetzt die Merkel. Ihr werdet Griechenland nie aus der Euro rausschmeißen." Fast klingt es, als würde an diesem Freitag nicht Bastian Schweinsteiger die Freistöße treten, sondern "die Merkel" höchstselbst.

Dabei sah es zunächst so aus, als könne die Kanzlerin bei dem Spiel gar nicht anwesend sein. Sie hatte ursprünglich ein Treffen mit dem französischen Präsidenten und den Ministerpräsidenten von Italien und Spanien in Rom im Kalender stehen. Wollte sie noch rechtzeitig ins knapp 1500 Kilometer entfernte Stadion von Danzig kommen, "müsste sie sich schon hinbeamen", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Doch jetzt: Pläne geändert, Merkel auf der Tribüne, Rückendeckung für Löws wackere Mannen gesichert.

Kleiner Gipfel der Gemeinheit

Die deutschen Medien halten sich im Gegensatz zu den griechischen Kollegen weitestgehend zurück, wenn sie über den kommenden Gegner berichten. Zwar schreibt Welt Online, böse Zungen würden behaupten "dass es um Europa nicht halb so schlimm bestellt wäre, wenn Wirtschaft und Politik dieses Landes so effizient arbeiten würden wie die Sparkurs-Fußballer der Nationalmannschaft". Das ist dann aber auch schon der Gipfel der Gemeinheit.

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