Pressestimmen zur Inauguration:"Um die Nation zu heilen, braucht er den Rückhalt aller"

Amtseinführung Biden

Joe und Jill Biden auf dem sogenannten Blue Room Balcony des Weißen Hauses.

(Foto: Evan Vucci/dpa)

Internationale Medien legen in US-Präsident Joe Biden Hoffnung - sehen aber auch große Hürden auf ihn zukommen. Ein Blick in die Presse.

Mit der Vereidigung Joe Bidens ist die Ära Donald Trump endgültig zu Ende. Aber in die Erleichterung der Kommentatorinnen und Kommentatoren mischt sich auch die Aussicht: Der 46. Präsident der Vereinigten Staaten steht vor großen Herausforderungen.

Die New York Times kommentiert, Bidens Aufruf zur Einheit bedeute nicht, dass alle Amerikaner einer Meinung sein müssen, sondern vielmehr tolerant miteinander umgehen, demokratiebewusst und fähig, ihre Konflikte friedlich zu lösen. "Darauf sollten sich alle Amerikaner verständigen können."

Die Washington Post analysiert die Antrittsrede Bidens, mit der der neue US-Präsident die Nation auf die wichtigste Aufgabe eingeschworen habe: "das Wiederaufleben des demokratischen Geistes und den Schutz und Ausbau der Demokratie selbst".

Im Wall Street Journal heißt es: "Alle Amerikaner, welcher Partei sie auch immer angehören, können auf die Amtseinführung von Präsident Joe Biden am Mittwoch stolz sein. Die friedliche Machtübergabe von einer Partei zur anderen ist ein Zeichen der grundlegenden demokratischen Stärke, ungeachtet unserer derzeitigen politischen Verstimmung."

Die Londoner Financial Times kommentiert: "Die Aufgaben, vor denen der 46. US-Präsident steht, unterscheiden sich von denen so vieler seiner Vorgänger durch ihr enormes Ausmaß. Eine falsch gehandhabte Pandemie einzudämmen, die 400 000 Menschenleben gekostet und Millionen Menschen wirtschaftlichen Schaden zugefügt hat, wäre allein schon schwer genug für die meisten Präsidentschaften. Doch wie Joe Biden selbst einräumt, wiegt die Bürde, die auf ihm lastet, noch viel schwerer: Soziale Spaltungen müssen gelindert, die amerikanische Republik muss repariert und ihr moralischer Ruf muss wiederhergestellt werden. Diese Ziele werden weit über seine Präsidentschaft hinausreichen. Doch ob sie schließlich verwirklicht werden können, wird zu einem nicht geringen Teil von seiner Amtsführung abhängen."

Die französische Tageszeitung Le Figaro verweist auf die Verantwortung Europas: "Joe Biden ist ein liberaler Internationalist der alten Schule und ein Realist, der großen Interventionsprojekten skeptisch gegenübersteht. (...) Wenn er die Vereinigten Staaten wieder in den Multilateralismus einbindet, dann immer nur, um die Interessen von 'Amerika zuerst' zu verteidigen. Damit die Europäer auf einen Freund im Oval Office zählen können, werden sie sich ihm nützlich machen müssen. Amerika erwartet heute von den Europäern, dass sie ihm genauso helfen, wie es ihnen helfen wird."

Eher skeptisch bewertet die niederländische Zeitung de Volkskrant das künftige internationale Engagement der USA: "Vor Joe Biden steht die Aufgabe, Amerikas Institutionen wiederaufzubauen, am besten gemeinsam mit möglichst vielen Republikanern. (...) Dennoch hat Biden außenpolitisch hoffnungsvolle Signale gesendet. Von der Klimapolitik bis zur anvisierten Wiederherstellung der multilateralen Zusammenarbeit. Europa steht bereit, sagt die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen. Aber vier Jahre Trump haben in der Welt tiefe Spuren hinterlassen. Europäer bezweifeln - laut einer kürzlichen Umfrage -, dass die Amerikaner in zehn Jahren immer noch Anführer der Welt sein werden."

Und die Neue Zürcher Zeitung kommentiert: "Er rückte einen eindringlichen Appell an Einigkeit im Land ins Zentrum seiner ersten Rede als Präsident und wirkte dabei ebenso echt wie optimistisch. (...) Doch die Asche des Feuers, das Trump entfacht hat, wird noch lange glühen. Mehr als die Hälfte der Republikaner halten die Wahl vom November für manipuliert und zweifeln damit die Legitimität des neuen Präsidenten an. Das ist eine Hypothek; sie macht die ohnehin gewaltige Herausforderung noch größer. (...) Um die Nation zu heilen, wie er es versprochen hat, braucht er den Rückhalt aller."

Im österreichischen Der Standard ist von einer düsteren Ausgangslage für den neuen US-Präsidenten zu lesen: "Jeder dritte Wähler erkennt ihn nicht als seinen Präsidenten an, Republikaner und Demokraten im Kongress haben vier Jahre heftigen Kampfes hinter sich, die Moral im Land ist auf dem Tiefpunkt, die Wirtschaft im Sinkflug und die Corona-Pandemie noch nicht annähernd ausgestanden. In absoluten Zahlen gemessen sind die Vereinigten Staaten wegen bisher fehlender Strategien das Land mit den meisten nachgewiesenen Ansteckungen und Todesfällen. Eine Mission Impossible also? Die Ausgangslage ist jedenfalls düster. Gute Vorsätze hat die neue US-Regierung zur Genüge. Als 'Heiler' tritt der idealistische Joe Biden an, auch in seiner Antrittsrede beschwor er Einheit und Zusammenhalt. Dass Biden den eingefleischten Wählerinnen und Wählern Donald Trumps mit Versöhnungsgesten die Ängste nehmen kann, die der Populist geschürt und bedient hat, ist unwahrscheinlich."

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