Presseschau zur Wahl von Papst Franziskus:"Hand Gottes" und "kulturelle Brücke"

Nationale und internationale Medien begrüßen die Wahl Jorge Mario Bergoglios zum 266. Papst. In die Berichte über Hoffnungen auf Reformen mischt sich allerdings auch Kritik am neuen Pontifex - und ein Vergleich mit Diego Maradona.

Nun ist er also gewählt, der Nachfolger von Benedikt XVI., der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri: Kardinal Jorge Mario Bergoglio ist von seinen 114 Kardinalskollegen als neuer Papst berufen worden. Fortan wird der Argentinier nicht nur den Fischerring, sondern auch den Namen Franziskus tragen. Die nationale und internationale Presse hat die Wahl Bergoglios trotz einiger Widersprüche in dessen Vita weitgehend positiv aufgenommen.

Besonders herausgestellt wird dabei sein Engagement für die Armen und gegen soziale Missstände in seiner Heimat Argentinien. Er halte Distanz zur Politik und prangere Missstände - "Korruption, Armut, Ungerechtigkeit" - mit klaren Worten an, schreibt der Spiegel. "Jesuitischer Anwalt für die Armen" titelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Als "leidenschaftlichen Kämpfer für die Armen und Entrechteten" wird der neue Papst auch von der New York Times gepriesen. Laut Washington Post repräsentiert der in Buenos Aires geborene Sohn italienischer Einwanderer schon durch seine Herkunft "eine kulturelle Brücke" zwischen Europa und Amerika. Gerade seine europäischen Wurzeln könnten Franziskus im Konklave für Kardinalskollegen aus Europa wählbar gemacht haben.

Vielleicht spielt für seine Wahl "die Tatsache eine Rolle, dass Kardinal Bergoglio zugleich lateinamerikanisch und europäisch ist", vermutet auch der italienische Corriere della Serra. Für die Kirche erschienen offensichtlich nicht nur die Probleme jenseits des Atlantiks dringend, sondern zugleich jene innerhalb der Kurie. Dass die Wahl auf einen Argentinier gefallen ist, bedeutet indes für La Repubblica nichts weniger als eine "Revolution im Petersdom". Mit der Wahl eines Lateinamerikaners sei "der Eurozentrismus des Papsttums gebrochen", vermutet die Zeit.

Eine "Premiere im Vatikan" hat auch die Neue Zürcher Zeitung ausgemacht, bezieht sich dabei aber auch auf die Namenswahl des neuen Pontifex - es gab noch nie einen Franziskus auf dem Stuhle Petri. Bezugnehmend auf das Namensvorbild Franz von Assisi heißt es in dem Artikel der Schweizer Zeitung: "Es war kein Zufall, dass Johannes Paul Assisi als Ort des grossen Friedensgebets mit Vertretern aller Weltreligionen im Jahr 1986 auswählte. Der neue Papst macht mit seiner Namenswahl deutlich, dass er offen ist für den Dialog zwischen den Religionen."

"Papa don't preach!"

Doch nicht nur Herkunft und Name des Nachfolgers von Benedikt XVI. sind Neuerungen, auch seine Zugehörigkeit zum Orden der Jesuiten ist für Franziskus ein Alleinstellungsmerkmal. Ein Jesuit als Kirchenoberhaupt wirke im ersten Moment etwas absonderlich, schreibt Il Giornale aus Italien, "vor allem für jene, die die Bruderschaft Jesu mit einer außergewöhnlichen Machtmaschinerie gleichgesetzt haben".

Die linksliberale spanische Zeitung El País hofft, dass die Wahl eines dialogbereiten und nichteuropäischen Papstes den Anstoß für Reformen in der Kirche geben kann. "Die Spannungen sowohl innerhalb der Kirche als auch in ihren Beziehungen zur Außenwelt sind offensichtlich", schreibt das Blatt und zeigt sich zuversichtlich, dass der neue Papst - wenn auch kein Revolutionär - der richtige Mann ist, um sie anzugehen. "Die Qualitäten von Franziskus als ein aufrechter und dialogbereiter Mann, in Verbindung mit seiner jesuitischen Prägung, könnten eine entscheidende Basis für die geforderte Evolution sein."

Britische Medien berichteten selbst am Donnerstagmorgen noch relativ sachlich vom Ausgang des Konklaves. "Der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio ist zum 266. Pontifex gewählt worden", titelte etwa der Guardian. Humoriger ging es gewohntermaßen bei den Boulevard-Kollegen von The Sun zu, die in Anspielung auf Fußball-Ikone Diego Maradona ein Bild von Franziskus mit "Hand of God" überschrieben. "Die neue Hand Gottes" lautete auch bei Bild die Schlagzeile - wer sich von wem inspirieren ließ oder ob das ein Zufall ist, ließ sich kurzfristig nicht eruieren.

Kritische Berichterstattung kommt unter anderem aus den USA: "Papa don't preach!", lautete die Überschrift bei der Huffington Post. Der Papst sei "gegen Abtreibung und Verhütung und halte gleichgeschlechtliche Ehen für einen 'destruktiven Anschlag auf Gottes Plan'". Wenn es um die Rechte Homosexueller in der katholischen Kirche gehe, bedeute die Wahl keine Veränderung oder gar Verbesserung, heißt es in dem Artikel weiter.

In diese Richtung geht auch die Skepsis der französischen Zeitung Libération. Sie fragt: "Wird dieser alte Mann es verstehen, seine Kirche und seine Gläubigen mitzunehmen in Richtung einer größeren Öffnung gegenüber den Frauen, gegenüber anderen sexuellen Orientierungen oder wird er - wie seine Vorgänger - ein rigider Wächter des Dogmas bleiben?" Die linke deutsche Tageszeitung taz glaubt die Antwort zu wissen: "Der neue Papst ist, den bislang vorliegenden Informationen nach zu urteilen, ein reaktionärer alter Sack wie sein Vorgänger."

Wer recht behält, die, die auf einen Aufbruch der katholischen Kirche hoffen, oder die, die vom Vatikan eh nichts mehr erwarten: Diese Antwort wird Papst Franziskus in den kommenden Jahren geben.

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