Süddeutsche Zeitung

Presseschau zur Bundestagswahl:"Kein 'Weiter so'"

Nationale Medien sehen Angela Merkel bereits auf einer Ebene mit Helmut Kohl, die Bundeskanzlerin alleine habe die Wahl entschieden. Umso skeptischer beurteilen die Kommentatoren den Zustand der CDU.

Von Carolin Gasteiger

Blickt man am Montagmorgen nach der Bundestagswahl in die Presse, ist eine die dominierende Figur: Angela Merkel. Kaum ein Medium, das nicht mit der im Amt bestätigten Bundeskanzlerin aufmacht, kaum eines, das "Merkels Triumph" nicht bespricht. Aber unter die Lobhudeleien mischen sich auch skeptische Töne.

Zuallererst die Bild. Das Springer-Blatt titelt am Montagmorgen "Merkels größter Triumph", und hebt die Kanzlerin sogleich auf eine Ebene mit Helmut Kohl. Ob sie jetzt so stark sei wie er? Nikolaus Blome sieht eine Große Koalition kritisch, "ob das dem Land nutzt?" Immerhin übersieht die Bild bei aller Merkel-Manie ihre eigene Leistung nicht. Wahlbeteiligung von 73 Prozent: "Auch Bild hat dafür gekämpft."

Ähnlich euphorisch sieht es eine weitere Springer-Zeitung, die Welt, und schreibt vom "unvorstellbaren Triumph" Merkels. Allerdings grenzt sich die Kanzlerin hier deutlich von Helmut Kohl ab: Für Helmut Kohl sei die Haltung noch selbstverständlich gewesen, "dass die Liberalen so etwas wie der natürliche Bündnispartner der Union sind und von dieser daher pfleglich behandelt werden." Dies gehöre jedoch der bundesdeutschen Geschichte an. Merkel habe auch hier einen "betont nüchternen Stil". Ihr Sieg war ein Sieg ohne Klarheit und Richtung, es war ein Sieg des So-Seins."

Die Titelseite des Handelsblatts ziert die "Euro-Kanzlerin" mit passender Münze, um die außenpolitischen Verdienste Merkels zu würdigen. "Der Euro war das Schicksal der Angela Merkel", heißt es.

In historische Dimensionen rückt sodann die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Wahlausgang, einen "Sieg der großen Kanzlerin": Merkel gehöre nun in die Reihe der ganz großen Kanzler. "Ihre Partei weiß, dass sie diesen Sieg allein der Kanzlerin zu verdanken hat."

Kurz fasst es die taz zusammen: "Der Wahlkampf der Union hatte drei Inhalte: Erstens Merkel. Zweitens Merkel. Drittens Merkel." Mit "weichem Paternalismus und geschicktem Opportunismus" habe sie die Wahl für sich entschieden.

"Merkel ist auf dem Höhepunkt ihrer Macht, sie allein hat mit ihren hohen Popularitätswerten den Triumph der Union gesichert", kommentiert Spiegel Online den Wahlausgang und ruft die Bundesrepublik zur "Merkel-Republik" aus. Ihre Macht in der Partei werde weiter gefestigt, was aber auch ein Problem berge: "Wenn Angela Merkel geht, wird die Partei eine Durststrecke erleben."

Und dieses Problem sehen viele andere Medien auch. In der Printausgabe des Tagesspiegel steht: "Angela Merkel hat gewonnen. Sie persönlich. Mit einem Wahlkampf, der keiner war. Was brauchen wir Parteien, wenn wir Merkel haben. (...) Die Deutschen wählen ihr Abbild." Was hier noch fast ausschließlich wohlwollend klingt, wird online differenzierter gesehen und um "ein paar hässliche Nebenwirkungen" ergänzt, wie den überraschenden Erfolg der Protestpartie AFD.

Wenn es nach der Berliner Zeitung geht, sollte der Bundeskanzlerin ihr haushoher Wahlsieg Sorgen machen. Denn außer ihr persönlich habe niemand gewonnen, nicht mal ihre Partei, heißt es. "Die Union ist Merkel und Merkel ist die Union." Die FDP habe "ihr Erbe mutwillig verspielt", die kleinen Parteien würden generell vom Wähler abgestraft. Aber zurück zur Hauptperson: Anders als die Kollegen der FAZ sieht die Berliner Zeitung Merkel noch nicht in historischen Dimensionen. Noch wartet eine Aufgabe auf sie: Merkel werde erst dann eine Große sein, "wenn sie ihr Erbe geordnet hat."

Der Triumph der Kanzlerin, das Desaster der Opposition. Die Tagesschau meint, Merkel hätte das ohne "die Fehler der anderen" nicht geschafft. Eine uneinige Opposition und deren "Ausschlusseritis", das historische Scheitern der FDP einerseits und das überraschend starke Abschneiden der Alternative für Deutschland andererseits hätten Merkel - und der Union - zum Sieg verholfen. Bleibt die Frage nach dem Koalitionspartner: "Wird die 'schwarze Witwe', die ja schon die Sozialdemokraten und jetzt die FDP ausgesaugt hat, sich nun ein grünes Opfer nehmen?"

Dass Angela Merkel aus Koalitionsfragen heraus nicht einfach weitermachen kann wie bisher, weiß auch die Zeit unter dem Titel "Kein Sieg des 'Weiter so'". Würde die SPD an der Regierung beteiligt, "wäre der merkelsche Austeritätskurs beendet", eine Koalition mit den Grünen sei dem Wähler nur schwer vermittelbar. Schwarz-Rot-Grün dagegen könnte der Kanzlerin gefallen. "Aber es birgt auch die Gefahr, dass die politische Debatte austrocknet." Und der Populismus könne beim nächsten Mal von beiden Seiten kommen.

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