Presseschau zu Landtagswahlen:Von Merkels "Wahl-GAU" und "strahlenden Siegern"

Wortspiel-Alarm am Tag danach: Die deutschen Zeitungen überbieten sich mit Anspielungen auf das Atom-Thema. Alle sind sich einig: Das Ergebnis in Baden-Württemberg wird Deutschland verändern.

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Farb- und Wortspiele dominieren die Titelseite der Bild nach den Landtagswahlen. Die einzige Assoziation, die die Blattmacher im Springer-Zugpferd im Zusammenhang mit den Ergebnissen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kennen, ist allerdings die Kernkraft. Die Aussicht, dass mit Winfried Kretschmann erstmals ein Grüner Ministerpräsdent von Baden-Württemberg zu werden droht, fragt das Blatt besorgt: "Wohin steuert dieser Grüne Deutschlands Muster-Ländle?" Die Antwort kennt man allerdings auch nicht, sondern beschränkt sich auf Biographie-Schnipsel und Andeutungen.

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Im Gegensatz zur Bild bleibt die FAZ ganz und gar sachlich, und rückt den Erfolg der Grünen im Titel nur an die dritte Stelle. Immerhin darf Wahlsieger Winfried Kretschmann von den Grünen auf dem Titelbild jubeln. Baden-Württembergs bisheriger Ministerpräsident Mappus ist dem Blatt zufolge vor allem deshalb so tief abgestürzt, weil sich sein Herzens-Projekt "Stuttgart 21" in eine "lahme Schindmähre" verwandelt hat und sein zweites Paradepferd, die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, in der Reaktorkatstrophe von Fukushima "verendet" ist. Seine Kehrtwende zu neuer Nachdenklichkeit war dann so abrupt, dass es auch begabtere Wendehälse aus der Kurve getragen hätte, kommentiert die Zeitung. Die Grünen profitieren der FAZ zufolge von ihrer Rolle als "hauptamtlicher Antiatompartei". Für die Bundesregierung konstatiert das Blatt, dass sie auf der Flucht vor dem Volkszorn so viel Ballast abgeworfen habe, dass ihre Abgeordneten sich selbst nicht wiedererkennen.

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Die Welt macht - anders als die FAZ - die Grünen schon im Titel zu den großen Gewinnern des Wahlsonntags. Die Ergebnisse gelten dem Blatt als Beleg dafür, wie spannend Demokratie sein kann. In Baden-Württemberg habe ein "aus der Zeit gefallener" Ministerpräsident ein Modell verkörpert, das seinen Zenit überschritten hat. Denn die für das Land typische Mischung aus Konservativismus und Fortschrittsfreudigkeit müsse sich neu beweisen. "Da versagt einer, der Politik im Eichenschrankstil betreibt." Dass das einzige Bundesland, das je von einem FDP-Ministerpräsidenten regiert wurde, nun auch das erste ist, dass einen grünen Landeschef erhält, betrachtet man bei der Welt als "mehr als eine hübsche Pointe" - auch wenn die Grünen unter Winfried Kretschmann ihren Erfolg auch aktuellen Ereignissen und der Angst vor der Atomenergie verdanken.

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Eines der wenigen Titelblätter ohne die Gesichter von Merkel oder Kretschmann ganz oben: Die rheinland-pfälzische Lokalzeitung Rhein-Zeitung konzentriert sich auf das "blaue Auge", mit dem SPD-Ministerpräsident Kurt Beck bei den Landtagswahlen davongekommen ist und den Erfolg des künftigen grünen Koalitionspartners unter der Führung von Spitzenkandidatin Eveline Lemke. In der Online-Ausgabe ist zu lesen, dass es mit den Grünen in Mainz "nur einen einzigen strahlenden Sieger" gegeben habe. Das Blatt freut sich, dass die Landespolitik nun wieder spannender wird: Zwischen Rot und Grün gebe es "reizvolle Gegensätze", außerdem sei CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner eine "ernstzunehmende Oppositionführerin".

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Nicht auf die grünen Wahlsieger, sondern auf den schwarzen Verlierer in Baden-Württemberg konzentriert sich die taz, die gewohnt originell - und ohne Anspielungen auf Natur- und Atomkatastrophen - titelt. Die Wahlen gelten der Zeitung als "Revolution, die im ganzen Land ihren Widerhall finden" wird. Schließlich wüssten die Bürgerinnen und Bürger, dass es die grüne Kernkompetenz ist, die Deutschland braucht, um eine zukunftsfähige Energie- und Wirtschaftspolitik zu gestalten. Nach dem Erdrutschsieg in Baden-Württemberg sei klar, dass die von den Grünen angemahnte epochale Energiewende jetzt eingeleitet wurde. In Rheinland-Pfalz, so kommentiert das Blatt, wurde die SPD zwar für diverse Skandale und Affären bestraft. Doch ein "begrünter" Beck bleibe Chef der noch immer stärksten Partei im Bundesland. Die Grünen aber seien die verdienten Profiteure der atomaren Katastrophe in Japan und der Ausstiegsdebatte im Heimatland von Rainer Brüderle (FDP).

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Von einer ganz besonderen Revolution in Baden-Württemberg berichtet die Berliner Zeitung - und bezeichnet Winfried Kretschmann als "grünen Messias", der eigentlich ein wertkonservativer Studienrat sei. Die Wahlen bezeichnet das Blatt als Zäsur in der politischen Geschichte Deutschlands. Wortspiele mit Bezug auf eine mögliche Ursache für den Erfolg der Grünen kann man sich in der Zeitung nicht ganz verkneifen: Von einer "politischen Kernschmelze" ist die Rede.

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Von einem Triumphzug eines sensationellen Gewinners - den Grünen - berichtet die Frankfurter Rundschau. Die Partei sieht man in der Zeitung "auf dem Weg zur Volkspartei", während die CDU nach der historischen Pleite in Baden-Württemberg in die bislang schwerste Krise unter Kanzlerin Merkel stürzt. Und die Bundes-SPD, die sich über den dritten Platz in Stuttgart freuen darf, charakterisiert das Blatt als Koch, der nun der Kellner ist. In Rheinland-Pfalz bleibt der König (SPD-Chef Beck) auf dem Thron, und der Alt-Liberale Gerhart Baum diagnostiziert bei seiner Partei "massive Probleme".

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Das Wort "historisch" fällt in den Medien oft an diesem Tag nach den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Von einem historischen Regierungswechsel in Stuttgart berichtet der Tagesspiegel. In Berlin kann man das kaum fassen: "Es ist passiert", kommentiert das Blatt, "wirklich passiert. In der Bundesrepublik wird es den ersten grünen Ministerpräsidenten geben." Zwar sei der baden-württembergische Grünen-Chef ein Konservativer, und der Sieg der Grünen hänge auch mit Japan zusammen. Aber "die Grünen sind die Gewinner des Tages und Sieger dieser Monate. weil sie nachhaltig wirken". Die Partei habe über Jahre das Thema Ökologie im Verbund mit Ökonomie bewirtschaftet, und damit sei sie nun auf der Höhe der Zeit.

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Die Lokalzeitung Stuttgarter Nachrichten tritt am Tag nach der Wahl monothematisch auf: Die ersten zwanzig Seiten sind für die Landtagswahl und den Triumph von Grün-Rot reserviert. Eine "Zeitenwende" sei nach 58 Jahren CDU-Regierung gekommen, verkündet der Titel. Die politische Zukunft von Mappus versieht die Redaktion mit einem Fragezeichen. Den Wahlerfolg der Grünen - die "Sonnenblumen-Sonderkonjunktur" - und die Niederlage der Christdemokraten interpretiert das Blatt dabei nicht als Volksentscheid gegen Stuttgart 21 sondern vor allem als Reaktion auf den Glaubwürdigkeitsverlust nach dem Atom-Moratorium. Wie die Wahl wohl "ohne Fukushima" gelaufen wäre - diese nach eigenem Bekunden "mutige Frage" stellt sich das Blatt.

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Sprachlich gewagt titelt die tz, und kann sich die Wortspielerei nicht verkneifen: Eine "politische Kernschmelze im Ländle" beobachtet die Zeitung, da in Baden-Württemberg CDU und FDP von den Wählern vor allem für die Atompolitik eine "Watschn" bekommen haben. Die Grünen, die dort nun mit der SPD die Mehrheit errungen haben, gelten der Zeitung noch immer als "Öko-Partei".

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Für die Rheinische Post ist der entscheidende Faktor bei den Landtagswahlen eindeutig, wie schon die Titelzeile über dem jubelnden Winfried Kretschmann offenbart: die Atom-Debatte. "Hätte die Erde vor Japans Küste nicht gebebt" und ohne die folgende Naturkatastophe, kommentiert die Zeitung, wäre Kretschmann "nicht der wahrscheinlich nächste Ministerpräsident in Stuttgart". Für die Wahl in Baden-Württemberg gelte die Zeitrechnung "vor" und "nach Fukushima". Kurt Beck, der mit gesenktem Haupt auf dem Titel zu sehen ist, habe in Mainz auch die Atomkatastrophe in Japan als Ursache für den Absturz seiner SPD genannt. Die wahre Ursache sieht die Rheinische Post jedoch in "zwei Jahrzehnten rotem Filz" in Rheinland-Pfalz.

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Auch die Berliner Morgenpost verkündet den Sturz des baden-württembergischen Landes-Chefs im Titel noch vor dem Erfolg der Grünen. Zwei kleine Volksparteien, so stellt die Zeitung fest, scheinen mächtiger als das traditionelle Bündnis von Groß- und Kleinpartei. Den "historischen Wahltag" auch für die Kanzlerin kommentiert das Blatt mit dem Wort: "Rumms". Angela Merkel habe eine politische Ohrfeige erhalten. Den Grund dafür sieht man hier insbesondere darin, dass die Kanzlerin die CDU-Wähler selbst mit umstrittenen Entscheidungen demobilisiert habe. Der "Triumph" des Grünen Winfried Kretschmann sei keine Überraschung, sondern die logische Folge einer jahrzehntelangen Entwicklung. "Überall im Ländle ist der grüne Lebensstil angekommen, den Politiker wie Rezzo Schlauch, Fritz Kuhn oder Cem Özdemir repräsentieren. Für die Ökopartei beginnt nun, endlich, der Ernst des Lebens."

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Für das Handelsblatt ist neuer Ärger in den transatlantischen Beziehungen offenbar wichtiger als die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Immerhin darf der Ex-Chef der Unionsfraktion, Friedrich Merz, auf der Titelseite erklären: "Das bricht der CDU das Rückgrat." Nach dem Denkzettel für CDU und FDP ginge es für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) jetzt um das politische Überleben. Die Wahlanalyse der Wirtschaftszeitung ergibt, dass bürgerliche Wähler zu Hause geblieben sind und den Grünen das Feld überlassen haben. Diese hätten aufgrund der Atomkatastrohe in Japan und der Angst der Deutschen vor der Atomkraft eine optimale Mobilisierung ihrer Anhänger erreicht.

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Die bundespolitische Bedeutung der Wahlen betont die Financial Times Deutschland - naheliegenderweise - mit einem Wortspiel. Ob die Bezeichnung des Wahlergebnisses in Baden-Württemberg als "Beben von Stuttgart" ebenfalls eine - vielleicht unbewusste - Assoziation zum Erdbeben in Japan ist, bleibt das Geheimnis der Zeitung. Die Grünen jedenfalls sind für das Blatt noch immer eine "Öko-Partei". Andererseits sei spätestens nach den Wahlen im Südwesten klar: Die Grünen sind eine Volkspartei und die bessere SPD, kommentiert die Zeitung. "Zappenduster" sei es für Merkel, die Union und die Koalition in Berlin. Politisch und moralisch sei Schwarz-Gelb am Ende. Deshalb sollte Angela Merkel Neuwahlen ausrufen.

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Der Kölner Express zeigt auf dem Titel eine geknickte Angela Merkel im Bundestag nach dem "Mega-Erfolg der Ökopartei" bei den Landtagswahlen. Dass die Kanzlerin sich am Wahlabend nicht geäußert hat und auf "Tauchstation" gegangen ist, erklärt die Redaktion in ihrer Online-Ausgabe damit, dass sie diese Niederlage erst mal verdauen müsse. Das Kontrastprogramm bei den Grünen: In einem Bericht von ihrer Berliner Wahlparty in der Parteizentrale ist von einer "grünen Freuden-Welle" bei Bionade, Gemüseküchle und Bier zu lesen. Nach dem Erfolg würden nun aber auch die Erwartungen der Wähler steigen, mahnt die Redaktion.

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Die Boulevardzeitung Berliner Kurier konzentriert sich nach dem "Wahl-GAU" in Baden-Württemberg auf die Kanzlerin und hebt eine ängstlich nach oben blickende Angela Merkel auf den Titel. Sie werde wohl den "Montags-Blues" erleiden, kommentiert die Redaktion: Die Chefin habe nach den Landtagswahlen "alles zu verantworten" und müsse nun "den Karren aus dem Dreck ziehen". Der Sieger des Sonntags, Winfried Kretschmann, erhält vom Kurier hingegen den Titel "Öko-Häuptling Silberlocke": Der Mann mit dem "eisgrauen Bürstenhaarschnitt" habe mit seiner Bodenständigkeit den Nerv der Menschen getroffen, meint das Blatt. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle bekommt nach seiner Absage an einen Rücktritt prompt einen neuen Namen: "Pattex-Westerwelle".

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Nicht Stefan Mappus, nicht Kurt Beck, sondern Angela Merkel und Guido Westerwelle prangen auf der Abendzeitung. Auch die Zeitung aus München macht schon im Titel deutlich, welchen Zusammenhang man zwischen dem "Triumph" der Grünen und der Wahlniederlage der Union gibt. "Atomkraft ist abgewählt", erklärt die Zeitung und berichtet von einem "politischen Erdbeben". "In Zeiten wie diesen, in denen Atomkraftwerke explodieren und Diktatoren stürzen, ist politisch alles möglich, jeder neue Tag bringt ein anderes, kaum vorhersehbares Ereignis", kommentiert die Zeitung. Zu solchen Ereignissen gehöre auch der "historische Wahlsieg" der Grünen und das dass die Atomkraft in Deutschland ins Aus befördert wurde.

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Als Volksabstimmung zur Atomenergie betrachtet das Hamburger Abendblatt die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die zu einem schweren Rückschlag für die schwarz-gelbe Bundesregierung geworden sei. "Merkel sieht grün", kommentiert das Blatt den "Triumphzug der Grünen" in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, der eine Zäsur in der deutschen Politik markiere. Die Grünen als einstige Sonnenblumen-Kinder und Öko-Freaks seien endgültig in der bürgerlichen Mitte angekommen. Und Angela Merkel werde "von heute an schwarz-grün ticken".

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Auch die europäische Ausgabe der New Yorker Tageszeitung Wall Street Journal nimmt die Landtagswahlen auf den Titel: Der Vorstoß der Grünen sei ein Rückschlag für die Kanzlerin, erklärt die Titelzeile. Das Wahlergebnis des Super-Wahlsonntags werde Merkels Authorität und damit auch ihren "Handlungsspielraum" etwa im Rahmen der Eurokrise beschränken, prophezeit die Redaktion. Ihre konservativen Parteikollegen würden darauf drängen, die spendable Haltung der Bundesregierung einzuschränken. Die Zeitung sieht außerdem den Super-GAU in Fukushima als Grund für die Niederlage der Kanzlerin und den Erfolg der Grünen.

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Die International Herald Tribune platziert Merkels Misserfolg als Spitzennachricht neben Fukushima und dem Libyen-Krieg. Den Rückschlag für die Bundeskanzlerin erklärt die Zeitung mit der Angst vor der Atomenergie: Die Deutschen (in der Online-Ausgabe etwas abgeschwächt: die meisten Deutschen) hätten eine fest verankerte Abneigung gegen die Kernkraft, heißt es. Fukushima hätte die Gegner wachgerüttelt, wie auch die Demonstrationen am Sonntag zeigten.

© sueddeutsche.de/mcs/isch
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