Japan und die Kernkraft:"Schäbig, erbärmlich und abstoßend"

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In Deutschland ist die japanische Katastrophe längst zum innenpolitischen Streitthema geworden. Die Zeitungen beschäftigt vor allem eine Frage: Ausstieg aus der Atomkraft - ja oder nein?

Katharina Riehl

Lodernde Feuer, Atomkatastrophe, Kernschmelze - nicht nur die Online-Nachrichtenseiten kennen derzeit kaum ein anderes Thema als den möglichen atomaren GAU in Japan. Auf den Kommentarseiten der Zeitungen werden die möglichen Folgen und die nötigen Konsequenzen aus der Katastrophe in Japan diskutiert - und es herrscht ungewöhnlich große Einigkeit: An einer neuen Debatte über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke wird die Bundesregierung nicht vorbeikommen.

Abschalten oder nicht abschalten? Auch die deutschen Atommeiler stehen wieder in der Kritik. (Foto: dpa)

Die Berliner linksalternative Zeitung taz bezeichnet die Reaktoren in Deutschland und benachbarten Ländern als eine unkalkulierbare Gefahr vor der Haustür. Dort heißt es: "Ein Anti-Atom-Kurs ist ein politisches Risiko für Röttgen. Ein Pro-Atom-Kurs ist ein atomares Risiko für Deutschland."

Auch die Südwest Presse aus Ulm sieht die Bundesregierung in der Pflicht, ihren Atomkurs zu überdenken. "Der Traum der Energieindustrie von der Beherrschbarkeit der Kerntechnologie ist ausgeträumt." Die Zeitung setzt sich auch mit der Frage auseinander, ob es unanständig sei von den Grünen und der SPD, die neue alte Debatte für die anstehenden Landtagswahlen zu nutzen: Hier findet man: nein. Es sei das gute Recht der Grünen, so heißt es, "zur Wahl zu stellen, was immer schon und vor allem anderen Dreh- und Angelpunkt ihrer Politik war."

Ganz anders sieht genau diesen Punkt die Bild-Zeitung. Da heißt es unter der Überschrift "Atomwahlkampf? Nein, danke!": "Mit dem Leid der Japaner auf Stimmenfang zu gehen, mag führ Wahlkämpfer verführerisch sein. Doch das wäre schäbig, erbärmlich und abstoßend."

Während also in Deutschland das drohende japanische Atomunglück längst zum innenpolitischen Thema geworden ist, halten sich zum Beispiel die amerikansichen Medien mit diesen Überlegungen in ihren Kommentaren noch zurück. New York Times und Los Angeles Times beschäftigen sich in ihren Kommentarspalten mehr mit der arabischen Revolution oder der eigenen Einwanderungspolitik, als mit der Frage nach der eigenen Nutzung von Kernkraft.

Auch die britischen und französischen Medien halten sich mit einer globalen oder innenpolitischen Bewertung der japanischen Situation sehr bedeckt. Le Monde, The Telegraph, The Daily Mail und das Boulevardblatt The Sun begleiten das Thema noch rein nachrichtlich. Die Ausnahme stellt hier der Guardian dar, der sich in einem großen Meinungsstück zu den weltweiten Folgen der japanischen Ereignisse äußert.

Wie auch immer die Katastrophe dort ausgeht, heißt es hier, das Vertrauen der Menschen in die Atomenergie wird sinken. Doch angesichts der großen Probleme mit dem Klimawandel werde die Welt genau darunter leiden.

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