Süddeutsche Zeitung

Presseschau:"Ein Kontinent am Ende seiner Weisheit"

Zwei Tage nach dem Anschlag von Nizza fragen viele Zeitungen nach dem richtigen Umgang mit dem Terror. Doch Trauer und Hilflosigkeit überwiegen. Eine Presseschau.

"Den Krieg gewinnen", titelt der konservative Figaro am Tag nach dem Anschlag. Und fordert ein härteres Durchgreifen: "Wie viele grausame Attentate, blinde Massaker noch, bevor unsere Führer endlich zugeben, dass der islamistische Fanatismus einen Krieg bis zum Tod gegen unser Land und unsere Zivilisation führt? Wie viele unschuldige Opfer noch, bevor sich unsere Regierenden endlich entschließen, gegen diese Verrückten Allahs die gnadenlosen Maßnahmen zu ergreifen, die ihre Barbarei erfordert? ... 'Wir sind im Krieg!', sagt man. Aber wer glaubt das wirklich? Ein putziger Krieg! Wir lassen unsere Grenzen offen für unsere Feinde. Die Anwerber des Dschihad predigen straflos ihre Hassideologie in den vom Feind finanzierten Moscheen ... Der Krieg, was für ein Krieg? Wir leben, als wären wir im Frieden."

Einen ganz anderen Zugang findet der britische Telegraph, der den Blick von Frankreich auf die ganze Welt lenkt, denn der Terror trifft keineswegs nur Europa. "84 Tote in Nizza, 281 Tote in Baghdad, 49 Tote in Orlando, 72 Tote in Lahore, 35 Tote in Brüssel." Die Aufzählung endet, weil kein Platz mehr auf der Seite ist. Nicht, weil sie sich nicht fortführen ließe.

Blau. Weiß. Rot. Das sind die Farben der französischen Flagge, der tricolore. Die Flagge entstand aus den Farben des Wappens von Paris (Rot und Blau) und der Farbe des Königs (Weiß). Doch in diesen Tagen bekommt das "rot" für viele Franzosen eine neue, traurige Bedeutung.

Libération

Die linksliberale Libération entscheidet sich auf ihrer Titelseite gegen jeden Versuch, den Terror zu erklären oder Reaktionen zu fordern. Sie fragt ganz einfach: "Warum?" Darunter zeigt sie die Windschutzscheibe des Lkw, mit dem der Attentäter die Menschen überfuhr. Sie ist durchsiebt von Einschusslöchern. Als die Polizei kommt und das Feuer gegen den Attentäter eröffnet, sind viele Menschen schon tot.

Independent

Der britische Independent beschreibt die Hilfslosigkeit im Angesicht des Terrors mit einer nüchternen Bilanz. "Ein Kleinkrimineller mit einem Groll. Zahlreiche Zivilisten niedergemäht, an einem Abend unschuldiger Freuden. Kinder und Muslime unter den Opfern. Eine giftige Ideologie, die so etwas auch noch Beifall klatscht. Eine Nation in Trauer. Und während Frankreich durch seinen dritten großen Anschlag in 18 Monaten taumelt, ist ein ganzer Kontinent am Ende seiner Weisheit."

Le Monde

Die überregionale Le Monde stellt nicht die Politik in den Vordergrund, sondern die Betroffenen: Auf der Titelseite zu sehen ist ein Mann, der am Ort des Anschlags um seine getötete Frau trauert.

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