Presserecht:Nach der Razzia

Das Bundesverfassungsgericht stärkt mit einem Urteil die Pressefreiheit und das Redaktionsgeheimnis: eine Durchsuchung bei Springers "Berliner Morgenpost" im November 2012 war nicht rechtmäßig.

Von Wolfgang Janisch

Der Fall Netzpolitik.org ist nach dem spektakulären Scheitern der Ermittlungen wegen Landesverrats noch nicht ganz zu Ende, inzwischen ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen unbekannt wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Da passt es, dass das Bundesverfassungsgericht die Berliner Justiz in einem anderen Fall noch einmal an den hohen Rang der Pressefreiheit erinnert hat. Das Gericht hat eine Razzia in der Redaktion der Berliner Morgenpost (Mopo) und den Privaträumen eines Reporters als verfassungswidrig beanstandet.

Die Berliner Ermittler waren vor drei Jahren hinter einem Polizeikommissar des Landeskriminalamts her, den sie verdächtigten, der Presse Informationen über eine bevorstehende Razzia in der Berliner Rockerszene gesteckt zu haben. Zwar hatte nicht etwa die zum Springer-Verlag gehörende Morgenpost, sondern Spiegel Online vorab über die Polizeiaktion berichtet. Doch waren die Beamten auf eine Verbindung des Kommissars zur Mopo gestoßen, die ihnen merkwürdig vorkam: Er hatte der Chefredaktion gut 3100 Euro für eine Amsterdamreise mit dem Reporter in Rechnung gestellt, Tagessatz 500 Euro. Auf der Rechnung fand sich der Zusatz: "Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barzahlung." Das Geld, so folgerten sie, musste die Gegenleistung für durchgestochene Informationen sein. Außerdem nutzte der Kommissar ein auf eine fingierte Person angemeldetes Journalisten-Handy, auf dem die Nummern des Mopo- sowie eines Spiegel-Online-Journalisten gespeichert waren. Im November 2012 wurden Redaktionsräume und die Privatwohnung des Journalisten durchsucht, wegen Verdachts auf Bestechung.

Karlsruhe hat die inzwischen eingestellten Ermittlungen gerügt, weil sie offenkundig nur ein Vehikel waren, um den Informanten zu enttarnen. "Die Durchsuchung in Redaktionsräumen oder Wohnungen von Journalisten darf nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären", formulierte das Gericht - und wiederholte damit seinen eigenen Kernsatz aus dem Cicero-Urteil von 2007. Seit damals ist klar, dass sich allein aus der Entgegennahme und Veröffentlichung vertraulicher Informationen keine strafbare Beihilfe von Medienvertretern zum Geheimnisverrat konstruieren lässt. Das bedeutet: Der Justiz ist es bei der Suche nach Lecks in Behörden nicht erlaubt, danach in den Schreibtischen und Computern der Journalisten zu suchen. Die Pressefreiheit schützt das Redaktionsgeheimnis, weil sonst die Informationsquellen der Medien versiegen würden.

Etwas anderes gilt, wenn Journalisten zum Geheimnisverrat angestiftet haben, etwa durch Honorarzahlungen. Dass hier Geld für Informationen geflossen sei, ist aus Sicht der Richter aber eine bloße Mutmaßung. Schon deshalb, weil eben nicht die Mopo, sondern das bekanntermaßen nicht zu Springer gehörende Spiegel-Online über die geplante Rockerrazzia berichtet hatte. Zudem hatte der Reporter eine plausible Erklärung für die Amsterdamreise: Er habe den Polizisten als Sicherheitsexperten bei einer Recherche wegen eines gefährlichen Kinderhändlerrings engagiert.

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