Pressefreiheit in Rumänien:Die Fußballzeitung zeigt, dass Erfolg unabhängig macht

Auch rumänische Zeitungen sind oft politisch verbunden - oder stark geschrumpft. Seriöse Zeitungen mit ehemals sechsstelligen Auflagen verkaufen heute gerade noch 10- oder 15 000 Exemplare, sagt Experte Martin. In Rumäniens Regionen hängen Zeitungen zudem oft vom Wohlwollen der lokalen Regierenden ab. In der 300 000-Einwohner-Stadt Craiova berichtete die Lokalzeitung Gazeta de Sud unverdrossen über zweifelhafte millionenschwere Geschäfte unter Beteiligung der Stadtspitze. "Als Reaktion strich die Stadt nicht nur alle Anzeigen, sondern drohte auch vielen Geschäftsleuten mit Folgen, wenn sie weiter bei uns inserierten", sagt Redakteur Tudor Valentin.

Fußballjournalist Tolontan dagegen ist als Chefredakteur der landesweit erscheinenden Gazeta Sporturilor in vergleichsweise komfortabler Lage. Die täglich erscheinende Fußballzeitung verkauft durchschnittlich 30 000 Exemplare - Platz Drei hinter zwei Boulevardblättern. "Die Rumänen sind sportverrückt", sagt Tolontan. "Das gibt uns die Freiheit, neben Fußball auch investigative Themen zu verfolgen. Wir haben den Ruf, auch unter Druck nicht zurückzuschrecken." Die Website werde täglich rund 250 000 Mal angeklickt, ein eigener Blog Tolontans wird täglich ebenfalls von Zehntausenden Rumänen gelesen. Erfolg macht unabhängig: Die Geschichte der Gazeta Sporturilor zeigt sehr anschaulich, wie man in einem Land mit eingeschränkter Pressefreiheit freien Journalismus machen kann.

Die Fußballjournalisten beschränken sich auf Recherchen zu Sport und Gesundheit

Nach einer Brandkatastrophe in einem Bukarester Musikclub Ende 2015 starben Dutzende Menschen. Tolontan und seine Kollegen fanden nach einem Hinweis eines Arztes nicht nur heraus, dass etliche Opfer nicht durch Feuer und Rauch gestorben waren, sondern durch Infektionen in den Krankenhäusern. Schlimmer noch: Die Pharmafirma Hexi, die Desinfektionsmittel in die Krankenhäuser geliefert hatte, hatte die Lösung bis zur Unwirksamkeit verdünnt - und ihre Lieferverträge durch hohe Bestechungsgelder bekommen. Die Recherchen der Sportjournalisten zeigen grundsätzliche strukturelle Schwächen auf, wie auch zuletzt im Fall des Bukarester Krankenhausgeschäftsführers. Tolotan sagt: "Würden wir andere Bereiche in Rumänien untersuchen, kämen wir bestimmt zu ähnlichen Ergebnissen."

Doch die Fußballjournalisten beschränken sich auf Recherchen zu Sport und Gesundheit. "Die Kompetenz zum Thema Gesundheit ist uns unfreiwillig zugefallen - in anderen Bereichen haben wir diese Kompetenz nicht." Hinweise über mögliche Skandale bei anderen geben die Sportjournalisten "entweder an Kollegen weiter - oder wir sagen direkt, dass wir ein Thema nicht untersuchen können. Wir müssen ja schließlich jeden Tag noch eine Fußballzeitung herausbringen, die die Rumänen weiter kaufen wollen.

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