Pressefreiheit:"Druck und Drohungen bekommt man immer"

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Die Korruption im Land ist eines der Hauptthemen des CIN – ein Missstand, der in Bosnien regelmäßig die Menschen auf die Straße treibt. (Foto: Djordje Kojadinovic/Reuters)

Das bosnische Zentrum für investigativen Journalismus macht das, was andere Medien in Bosnien nicht können. Es recherchiert die Themen Korruption und organisierte Kriminalität.

Von Peter Münch

Goldgerahmt hängen die Auszeichnungen im Konferenzraum, dicht an dicht stehen die Schreibtische in den Büros. Von den Fenstern eines zur Redaktion umfunktionierten Einfamilienhauses am Hang aus geht der Blick über Sarajevo, wo ein paar Glastürme vom schnellen Geld künden und der Rest meist unter düsteren Schatten liegt. Licht in dieses Schattenreich zu bringen, das ist die Aufgabe der Journalisten von CIN, dem bosnischen Zentrum für investigativen Journalismus. 18 Rechercheure sind damit gut beschäftigt.

"Korruption und organisierte Kriminalität sind unsere Themen", sagt Aladin Abdagić, der 36-jährige Chefredakteur des CIN. Das ist ein weites, heikles Feld. "Druck und Drohungen bekommt man immer", räumt Abdagić ein, "aber unser bester Schutz ist unsere Professionalität. Wir checken alles zwei oder drei Mal und haben noch keinen Prozess verloren." Seit der Gründung von CIN im Jahr 2004 wurden mehr als 500 Geschichten recherchiert und veröffentlicht. Meist geht es um Politiker, die sich in dichten Geflechten verheddern. "Manche enden dann im Gefängnis, manche leider nicht", bilanziert der Chefredakteur.

Viele Zeitungen haben Angst, die Geschichten des CIN zu drucken

CIN macht das, was andere in Bosnien nicht stemmen können, wollen oder dürfen. Denn auch die Medienlandschaft ist einbezogen in die De-facto-Teilung des Landes, das 22 Jahre nach dem Krieg immer noch zerrissen wird zwischen dem Nationalismus von bosniakisch-muslimischer, kroatischer und serbischer Seite. Journalismus ist dabei nicht selten eine Spielart des Patriotismus. "Es gibt die, die unter dem Druck der Politik stehen", erklärt Abdagić, "und es gibt die anderen, die frei davon sind - und unter dem Druck der Wirtschaft stehen."

CIN hat den Vorteil der Unabhängigkeit, gesichert durch ausländische Geldgeber wie die Stiftungen des amerikanischen Milliardärs George Soros, die den Jahresetat von insgesamt rund 450000 Euro bereitstellen. Dies gibt den Journalisten die Freiheit zur Recherche, und wenn eine Geschichte fertig ist, dann wird sie unentgeltlich allen interessierten Medien im Land und auch außerhalb zum Abdruck oder zur Ausstrahlung zur Verfügung gestellt. So erfährt dann zum Beispiel die Öffentlichkeit, wie sich die Abgeordneten des Parlaments bereichern oder wie der Chef der Steuerbehörde an elf Wohnungen in der Stadtmitte Sarajevos kam.

Umständehalber ist der Andrang der Medien auf die kostenlosen Storys oft begrenzt. Immerhin aber kann man sich ziemlich sicher sein, dass eine Geschichte über Verfehlungen von Bakir Izetbegović, dem muslimischen Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, wenigstens in der serbischen Teilrepublik gern verbreitet wird. Umgekehrt sind die Medien in der muslimisch-kroatischen Föderation immer offen für dubiose Grundstücksgeschäfte der Familie Milorad Dodiks, dem Präsidenten der Republika Srpska. Nur an eine Geschichte kann sich Chefredakteur Abdagić erinnern, die wirklich niemand abdrucken wollte. Da ging es um einen Geldwäscheverdacht rund um die russische Sberbank. "Die schalten ihre Anzeigen überall und jeder hatte Angst, diese Einnahmen zu verlieren", sagt er. Erschienen ist die Geschichte dann trotzdem - allerdings nur auf der Webseite von CIN, auf der alle Rechercheergebnisse auf Bosnisch und Englisch veröffentlicht werden (www.cin.ba).

Das Redaktionshäuschen von CIN erscheint wie eine Enklave, die aus der Zeit gefallen ist. "Wir sind noch Jugoslawien im Kleinen", sagt Abdagić. Das heißt, dass hier in größter Selbstverständlichkeit Muslime, Serben und Kroaten zusammenarbeiten. Azhar Kalamujić zum Beispiel, der im Krieg bei den muslimischen Streitkräften zur Verteidigung Sarajevos eingesetzt war, "mit einem Luftgewehr", wie er erzählt. Und Boris Mrkela, der auf der anderen, der serbischen Seite, kämpfte. Er stellt sich mit den Worten vor: "Ich bin der Feind", um dann lachend seine Freundschaft mit Kalamujić zu preisen.

Zusammen kämpfen sie heute gegen die Korrupten im Land, die auf allen Seiten gleichermaßen zu finden sind. "Wenn es ums Geld geht, dann gibt es keinen Nationalismus mehr", erklärt Kalamujić, "das ist nur die Fassade, hinter der die Politiker ihren Profit machen." So schnell also werden ihnen die Geschichten bei CIN nicht ausgehen. Mehr als 20 Preise haben sie dafür schon gewonnen, national und international. Aber an der Wand im Konferenzraum ist noch Platz.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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