Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit:Bürgerrechtler reichen Verfassungsbeschwerde gegen BND-Gesetz ein

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Weil der BND Journalisten im Ausland überwachen darf, werde indirekt auch hier das Redaktionsgeheimnis ausgehöhlt, fürchten die Beschwerdeführer.

Von Ronen Steinke

Der Journalist ist ein schillerndes Wesen. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt; twittern, bloggen oder Artikel schreiben darf jeder. Auch Sicherheitsbehörden bekommen es mit selbst ernannten Journalisten zu tun: Gerade im Umfeld terroristischer Gruppen tummeln sich immer wieder auch "Medienorganisationen", die ihren Aktivismus nur fadenscheinig als Journalismus tarnen. Als im Oktober 2016 das neue BND-Gesetz verabschiedet wurde, ein Paragrafenwerk, das viel mehr juristische Präzision und Ehrlichkeit in den Geheimdienstbetrieb brachte, weigerte sich die große Koalition deshalb trotz vieler Forderungen, die üblichen sogenannten Berufsgeheimnisträger - Anwälte, Priester, Journalisten - von einer Überwachung auszunehmen.

Genau das soll nun das Bundesverfassungsgericht überprüfen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte, eine 2016 gegründete Bürgerrechtsorganisation, zieht gemeinsam mit mehreren großen Journalistenverbänden des Landes sowie mit drei ausländischen Reportern nach Karlsruhe. Unter ihnen sind die Trägerin des diesjährigen Alternativen Nobelpreises, Khadija Ismayilova aus Aserbaidschan, der Slowene Blaž Zgaga und der britische Guardian-Autor Richard Norton-Taylor.

Die Verfassungsbeschwerde, die der Mannheimer Datenschutzrechtler Matthias Bäcker verfasst hat, sieht in der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendiensts - also der Durchsuchung großer Datenströme - eine Verletzung zweier Grundrechte, der Kommunikations- und der Pressefreiheit. Die Beschwerde bezieht sich auf die "Ausland-Ausland-Überwachung", also auf jene, von der Deutsche eigentlich nicht betroffen sein sollen. Nur: "Wie will man verhindern, dass Deutsche unter den Überwachten sind?", fragt Ulf Buermeyer. Der Jurist ist Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Einer Email könne man nicht ansehen, aus welchem Land sie komme; die im BND-Gesetz garantierte Unterscheidung sei realitätsfern.

Für eine solche "strategische" Überwachung braucht der BND keinen konkreten Verdacht

Das neue Gesetz erlaube es dem BND, "Journalisten im Ausland praktisch schrankenlos zu überwachen und die Informationen mit anderen Geheimdiensten zu teilen", sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. "Projekte wie die Paradise Papers zeigen, dass investigativer Journalismus zunehmend in internationalen Kooperationen entsteht." Zwar bleibe es dem BND untersagt, Deutsche zu überwachen. Mit der Überwachung ausländischer Journalisten höhle der BND indirekt jedoch auch das Redaktionsgeheimnis in Deutschland aus.

Anders als bei rein inländischen Überwachungsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung brauche der BND für eine solche "strategische" Überwachung keinen konkreten Verdacht, bemängeln die Beschwerdeführer. Die Kommunikation werde anhand bestimmter Suchbegriffe durchsucht. Die Überwachung könne damit jeden treffen, der mit Journalisten im Ausland in Kontakt stehe; gerade mit solchen, die in ihren Mails heikle Begriffe benutzen, weil sie zu brisanten Themen recherchieren. Kritisiert werden auch die Regeln zur Kontrolle der Überwachung. Gerade diese Kontrolle, so entgegnete indes der BND am Dienstag auf Nachfrage, sei besser geworden durch das neue Gesetz. Auch "indem ein Unabhängiges Gremium geschaffen wurde, das die Anordnungen für Maßnahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung des BND überprüft."

Wie Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte sagte, zielt die Verfassungsbeschwerde letztlich auf Grundsätzlicheres. Beabsichtigt sei nicht, nur Journalisten von einer Überwachung auszunehmen. Sondern, dass die gesamte sogenannte strategische Durchsuchung von Kommunikationsströmen gestoppt werde. Es gehe darum, eine Fehlentwicklung zu korrigieren. "Wir müssen zurückkehren zu einer gezielten Überwachung einzelner gefährlicher Personen." Der Fall des Berliner Attentäters Anis Amri habe gezeigt, dass selbst bekannte Gefährder oft nicht gründlich überwacht würden. Da sei es "verfehlt", auf der anderen Seite immer neue "Datenberge" anzuhäufen.

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SZ vom 31.01.2018
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