Gerichtsprozess in Australien:Auch in Demokratien ist die Pressefreiheit nicht selbstverständlich

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"ZENSIERT". Aber die Leser auf dem Kontinent wissen dennoch, um wen es geht. (Foto: N/A)

Australiens Justiz verhindert, dass über einen wichtigen Prozess berichtet wird. Der Vorgang ist unerhört.

Kommentar von Matthias Drobinski

Australien ist kein Unrechtsstaat. Bei allem Unverständnis und Kopfschütteln über den aktuellen Streit der dortigen Justiz mit den Medien im Land und der ganzen Welt sollte man das nicht vergessen: In China müssen unbequeme Reporter das Gefängnis fürchten und im Sudan den Tod; in Australien sind sie im Normalfall frei.

Auch muss ein Rechtsstaat die Unabhängigkeit seiner Justiz garantieren. Dafür braucht es Regeln - die zum Beispiel in Australien sichern, dass Strafjurys unvoreingenommen über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten urteilen können. Trotzdem empören sich Australiens Journalisten zu Recht über den Maulkorb, den ihnen die Justiz verpasst hat. Und es ist so mutig wie richtig, dass die Zeitungen des Landes in einer Art zivilem Ungehorsam groß berichten, dass sie nicht berichten dürfen. Denn selbst das ist ihnen eigentlich verboten.

Dabei geht es um eine weltweit bedeutende Persönlichkeit einer weltweit bedeutenden Institution, die eine Tat begannen haben soll, die diese Institution in ihren Grundfesten erschüttert. Ein Medium, das in Australien abrufbar ist und nun konkret werden würde, müsste mit einer empfindlichen Geldstrafe rechnen. Der Richter, der diesen Bann verhängte, hat schon erklärt, dass er einige der renitenten Autoren und Chefredakteure gerne im Gefängnis sähe. Australiens Justiz macht also Ernst. Auch deshalb beschränkt die Süddeutsche Zeitung ihre Informationen zu diesem Gerichtsverfahren auf die gedruckte, nicht in Australien zu kaufende Ausgabe, um niemanden zu gefährden.

Das aber zeigt die ganze Absurdität dieser Situation: Im Rechtsstaat Australien müssen Journalisten das Gefängnis fürchten, wenn sie ihrer Berichtspflicht nachkommen - als lebten sie in Peking und nicht in Sydney, Melbourne, Adelaide. Zu dieser Berichtspflicht und damit zur Pressefreiheit gehört nämlich auch, Leser, Zuhörer und Zuschauer zeitnah über die Entwicklungen in einem solchen Prozess unterrichten zu können und nicht erst dann, wenn es ein Richter für angemessen hält.

Die skurrile Situation in Australien zeigt ja, warum diese Freiheit in einem demokratischen Gemeinwesen ein solch hohes Gut ist: Im ganzen Land googeln die Bürger, dass die Server rauchen - doch der Staat verhindert, dass sie verlässliche Informationen, seriöse Analysen und weiterführende Kommentare erhalten, dass sie sich auf dieser Grundlage ein eigenes Bild machen können. Im Zeitalter des Internets ist zudem die Vorstellung, ahnungslose Geschworene würden frei von aller Vorinformation urteilen können, anrührend naiv. Das Verhältnis von unabhängiger Justiz und freier Presse ist immer eine Frage der Abwägung und der Verhältnismäßigkeit; in Australien ist dieses Verhältnis gerade dramatisch ungleich. Das befördert in einer Weise die Halb- und Fehlinformation, dass alle Fake-News-Twitterer ihre helle Freude haben.

Die Freiheit der Information ist immer ein schwieriges, dem Staat unangenehmes Gut - auch in Rechtsstaaten. Staat und Justiz mögen tendenziell keine Whistleblower, keine Nachricht, die sich außerhalb ihrer Kontrolle verbreitet, kein Narrativ, das der eigenen Erzählung widerspricht. Auch in Demokratien muss deshalb die Pressefreiheit immer wieder neu erstritten werden. Die australischen Journalisten tun das gerade: im Dienste aller, die eine freie Information wünschen.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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