Presse zur Frankreich-Wahl:"Frankreich hat Nein gesagt"

Zweite Runde der Präsidentenwahl in Frankreich

Anhänger von Emmanuel Macron jubeln über den Wahlsieg des europafreundlichen Präsidentschaftskandidaten.

(Foto: dpa)

Macron hat mit seinem Wahlsieg vor allem eines verhindert: einen Erfolg der rechtspopulistischen Le Pen. Aber in die Bewunderung für den künftigen Präsidenten mischt sich auch Skepsis. Ein Blick in die Presse.

In den internationalen Medien herrscht vor allem Erleichterung darüber, dass ein Wahlsieg Marine Le Pens, und damit der extremen Rechten, verhindert wurde. Zugleich bewundern viele den erst 39-jährigen Emmanuel Macron. In dieses Lob mischt sich jedoch auch verhaltende Skepsis ob der Aufgaben, die dem künftigen französischen Präsidenten bevorstehen.

La Libération

"Gut gespielt" jubelt die linksliberale Libération über Macrons Wahlsieg. "In der letzten Schlacht hat die Republik gesiegt." Auch wenn die Fremdenfeindlichen stark blieben, bedrohlich, aktiv, habe Frankreich deutlich gezeigt, dass es sie nicht haben wolle, heißt es weiter.

Le Figaro

Etwas nüchterner betrachtet es der Figaro. "Täuschen wir uns nicht: Macrons Frankreich, dieses positive, dynamische, reformatorische, das offen für Europa ist, existiert und ist froh über seinen Sieg. Aber es repräsentiert tatsächlich nur ein Viertel der Franzosen. Fast die Hälfte der Bürger gehören der rechtspopulistischen Marine Le Pen oder dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon an. Sie stehen den Werten, die Macrons Frankreich verkörpert, radikal feindlich gegenüber."

Neue Zürcher Zeitung

Aus der Schweiz kommen nüchterne Töne. Emmanuel Macron starte als "schwacher Präsident", schreibt die NZZ, "... aus persönlichen wie aus institutionellen Gründen". Die Zielsetzungen und Überzeugungen des künftigen franzöischen Präsidenten seien "merkwürdig unbestimmt", viele hätten ihn gewählt, weil sie seine Gegenkandidatin ablehnten, zudem fehle ihm eine eigene Partei, heißt es. Die NZZ blickt außerdem auf die extreme Rechte, die man nicht unterschätzen dürfe: "Es zeigt sich mit dieser Wahl in Frankreich, dass man eine starke Minderheit der Bevölkerung in einer Demokratie nicht auf Dauer von der Politik ausschließen kann."

El País

Unter dem Titel "Frankreich hat den Radikalismus in die Flucht geschlagen" kommentiert die spanische El País die Frankreich-Wahl. Der Sieg des Europafreundes und liberalen Ex-Bankers Macron habe die Welle an populistischer Unzufriedenheit vorerst gestoppt. Frankreich hat Nein gesagt."

The Guardian

Hoffnungsvoll blickt der Guardian auf die Entwicklungen in Frankreich. "Macron kann Europa nun helfen, den Krieg gegen den Populismus zu gewinnen", schreibt das Blatt. Sein Wahlsieg bedeute nicht nur für Frankreich und Europa gute Neuigkeiten, sondern sei außerdem ein willkommenes Mittel gegen das populistische Fieber, das Großbritannien den Brexit und den USA Donald Trump beschert habe. "Die Welt sollte Macron genau im Auge behalten: Wenn er den Krieg gegen Populismus gewinnt und Arbeitslosigkeit reduziert und gleichzeitig für Stabilität sorgt, kann er für so viele auf der Welt eine Inspiration sein."

La Repubblica

Als wichtigste Botschaft extrahiert die italienische Repubblica aus dem Wahlsieg Macrons: "Man kann einen anderen Diskurs führen und gewinnen." Unter "anders" versteht das Blatt eben nicht Wut, nicht Angst oder das Versprechen, alles umzuwerfen. Anstatt populistischen Vorstellungen hinterherzulaufen, sei es für die italienische Linke besser, sie selbst zu sein, heißt es weiter. Macron habe den Mut zu eindeutigen Positionen und er habe sich die Agenda nicht vom Front National diktieren lassen. Macron wolle ein Konzept verfolgen, das furchtbar aus der Mode gekommen ist und fast gefährlich auszusprechen: Optimismus. "Er hat sich eine enorme Verantwortung aufgebürdet, aber einen anderen Weg gibt es nicht."

The New York Times

"Der Sieg von Emmanuel Macron bei der französischen Präsidentschaftswahl ist dramatisch und beeindruckend, doch vor ihm liegen nun beträchtliche Herausforderungen. (...) Die entschiedene Wahl von Emmanuel Macron (...) zum Präsidenten Frankreichs sorgt bei jedem für Erleichterung, der Angst gehabt hatte, dass Frankreich das nächste Land werden könnte, das der durch westliche Demokratien schwappenden Welle von Populismus, Nationalismus und Anti-Globalisierung erliegen könnte. So dramatisch und eindrucksvoll sein Sieg auch ist - vor Macron liegen beträchtliche Herausforderungen. Er übernimmt eine tief gespaltene Nation."

The Washington Post

Die Washington Post vergleicht Emmanuel Macron mit dem früheren US-Präsidenten Obama: "Jung, hoffnungsvoll in die Zukunft blickend, einen fortschrittlichen Sinn für Mäßigung und ein deutlich formulierter Wunsch, traditionelle Klüfte zu überwinden", heißt es. Macron habe die alte Links-Rechts-Aufteilung als unzureichend für eine westliche Politik erkannt, die auf der einen Seite Offenheit, Pluralität und einem transnationalen Weg begegnet, andererseits Nationalismus, immer geschlosseneren Wirtschaftssysteme und der Ablehnung von Pluralität. Nun werde Macron einem "Dritten Weg" eine Chance geben - und der liberalen Demokratie eine dringend nötige Atempause verschaffen.

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