Presse:"Visits sind wie Glasperlen"

Theodor-Wolff-Preis 2015

Preisträgerin Sichtermann (l.), Andrea Nahles und SZ-Chef Wolfgang Krach.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

Selbstbewusst unter Palmen: Der Theodor-Wolff-Preis in Koblenz.

Von Claudia Tieschky

Den Theodor-Wolff-Preis gibt es seit 1962, aber zum ersten Mal wurde er jetzt an einem Ort verliehen, an dem Palmen wachsen. Das hat Moderator Jörg Thadeusz in Koblenz festgestellt, wo am Mittwoch der Journalistenpreis der deutschen Zeitungsverleger vergeben wurde, im 1787 erbauten Theater, das zum Weltkulturerbe zählt. Das ist eine schöne, souveräne Pointe für eine Branche, in der sich gerade niemand irgendwelchen Palmenträumen hingibt, und die zweitens auch sehr entschlossen ist, auf keinen Fall demnächst im Museum als Kulturerbe zu enden - und deshalb hier so selbstbewusst ihre besten Journalisten feierte. Die Branche hat sich, auch das wurde an diesem Abend deutlich, merklich aus der Defensive gegenüber dem Gratis-Anspruch des Internets herausgearbeitet. Man verlangt für Qualität im Netz Geld, statt nur auf Klickzahlen und Reichweite zu setzen - auf die schnelle Verlockung, die das Medium versprach. Es klang ein Furor mit, als Walterpeter Twer, Verleger der im Netz inzwischen vollständig kostenpflichtigen Rhein-Zeitung in Koblenz, dieser Lockung vier letzte Worte hinterher schickte. "Visits sind wie Glasperlen", sagte Twer.

Die 72-jährige Autorin und Journalistin Barbara Sichtermann, die für ihr Lebenswerk geehrt wurde und auf der Bühne eine höchst unternehmungslustige Mädchenstimme vorführte, sagte das übrigens auch, nur anders. Sichtermann rechnete mit dem Slogan ab, den Marshall McLuhan in den Sechzigerjahren geprägt hatte, und der zum Mantra wurde: "The medium is the message", hatte McLuhan gesagt. "Als Medienfrau, die allmählich aus ihrer McLuhan-Trance erwacht", formulierte Sichtermann stattdessen: Der Botschaft "ist es egal, ob sie auf einem Bildschirm flimmert oder ob unter ihr Papier knistert". In den protestbewegten Sechzigern, fügte sie hinzu, sei man auch verliebt in das Flugblatt gewesen "außerdem trauten wir dem Sprechchor einiges zu". Sie habe die Klagen satt über den Schaden, den Print durch Online erleide. Ein vernünftiges Bezahlmodell für den Online-Qualitätsjournalismus werde sich etablieren, "so oder so".

Zu den ausgezeichneten Texten, die Schauspieler des Theaters auf der Bühne vortrugen, zählt Bernd Ulrichs globale Analyse "Die Welt ist verrückt - und was machen wir?" aus der Zeit und Konrad Schullers Kiewer Nahaufnahme "Dann nehmen sie Anlauf und werfen" aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die Jury zeichnete Tobias Großekempers Annäherung an den Dortmunder Ortsteil Westerfilde (Ruhr Nachrichten) aus, sowie Roland Schulz' Porträt eines Münchner Polizisten, der traumatisierte Buben adoptierte (SZ Magazin). Erstmals ging ein Preis an ein Multimedia-Projekt, die Arbeit von Christine Liebhardt und Rudi Kübler über die Bombardierung von Ulm am 17. Dezember 1944 (Südwest Presse Online). Auffallende, glänzende Beiträge aus dem Regionalen und Lokalen - wertvoll auf Papier, Bildschirm und womöglich auch als Sprechchor.

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