Premiere der "Stadlshow" im Ersten:Antiseptische Après-Ski-Party

"Stadlshow" in Offenburg

Wo ist die Nase? Stadlshow-Moderatorin Francine Jordi im, nun ja, Gespräch mit Jürgen Drews. (Foto von der Generalprobe)

(Foto: dpa)

Unsere Autorin ist mit dem "Musikantenstadl" aufgewachsen und fragte sich: Was bleibt davon übrig nach der Zwangsverjüngung? Antwort: eine Schlagerparty mit Vorschlaghammer-Charme.

Von Barbara Vorsamer

Modern ist es, zur Lederhose ein schwarzes Band-Shirt zu kombinieren. Oder ein geringeltes Longsleeve. Oder eine Uniformjacke. Alles, nur kein Trachtenhemd oder irgendetwas anderes, das stiltechnisch passen würde. Und noch moderner ist es, auf Englisch zu singen. Am besten etwas, das alle schon kennen, "Sexbomb" zum Beispiel oder "I Want You to Want Me". Ein bisschen verkrainert und/oder mit Disco-Fox-Umptata unterlegt ist das ein Stadlkracher vom Feinsten, ach, was sag ich: ein Stadlkracher 2.0.

Insofern hat sich ein bisschen was verändert, seitdem ich das letzte Mal den Musikantenstadl angeschaut habe. Wenn ich an den Musikantenstadl denke, schwelge ich in Kindheitserinnerungen an Samstagabende bei Oma und Opa, an ein Gracherl (für alle Nicht-Bayern: eine Limonade) aus dem Senfglas und an Ganz-lang-aufbleiben-Dürfen. Mit neun war ich glühender Stefanie-Hertel-Fan, die das Brückerl über jedem Bacherl suchte, Patrick Lindner hielt ich für einen richtig gutaussehenden Typen und wir guckten Stefan Mross, damals das Wunderkind an der Trompete. Mein kleiner Bruder lachte sich unterdessen über die platten Sketche von Stadl-Erfinder Karl Moik und seinem Sidekick Hias kaputt. Außerdem immer dabei waren in meiner Erinnerung die Wildecker Herzbuben und das Nockalm Quintett und die Kastelruther Spatzen. Das Publikum schunkelte und klatschte auf Eins und auf Drei.

Später fand ich den Stadl dann natürlich doof, spießig bis zum Gehtnichtmehr und lachte mit meinen Altersgenossen nicht mehr über den Hias, sondern darüber, wie Stefan Raab "Moik" auf "Zeug" reimte. Geguckt habe ich den Musikantenstadl seitdem nie wieder - doch jetzt will ich wissen, ob mich zwanzig Jahre später der Nachfolger, die Stadlshow, wieder packt? Schließlich soll ich irgendwann zur Zielgruppe gehören, die mit Anfang dreißig nun gar nicht mehr so weit weg ist (Zumindest wenn es nach den ARD-Programmverantwortlichen geht). Und andere Dinge, für die ich in meiner Jugend nur Verachtung übrig hatte, finde ich inzwischen ganz prima - den Radiosender Bayern1 zum Beispiel. (Wie das passieren kann, hat mein SZ-Magazin-Kollege Tobias Haberl hier aufgeschrieben.)

Ein bisschen Holz, wenig Charme

Die neue "Stall-Kulisse" - Moderator Alexander Mazza bleibt das "D" meistens im Hals hängen - sieht aus, als hätte jemand eine Après-Ski-Hütte aus dem 3-D-Drucker gelassen und danach sterilisiert. Ein bisschen Holz, wenig Charme. Moderatorin Francine Jordi schreit trotzdem so laut in ihr Mikro, als hätte sie keines, dass sie es wahnsinnig gemütlich findet hier. Mit der Gemütlichkeit ist es allerdings gleich wieder vorbei, als die Troglauer Buam (natürlich in Lederhosen und T-Shirts) einen Song über das Rasenmähen anstimmen und gleich danach DJ Ötzi "I Want You to Want Me" vorträgt.

"Seid ihr noch da?", brüllt der Ötzi und "Danke für diese geile Stimmung!", röhrt der Sänger der Troglauer, doch das Saalpublikum reagiert kaum. Wahrscheinlich nicht genug getrunken. Oder vom Rasenmäher überfahren.

Es kann sich entspannen, denn als nächstes kommt der Flori. Also der SIlbereisen, denn kennt man, da braucht sich keiner zu fürchten. Flori und Ötzi machen dann eine Runde "Heile Welt"-Small-Talk, sie sind nämlich die allerbesten Freunde, schon lang, und das einzige Problem ist, dass der Flori nachts gern schläft und der Ötzi nachts gern telefoniert. Und so erfahren wir, dass er dann auf Tour anruft und fragt "Kommst du mal vorbei?" und dann geht der Flori rüber in das Hotelzimmer vom Ötzi ... Und so genau wollten wir das alles eigentlich gar nicht wissen.

Wolfgang Fierek und das "Brokeback-Mountain"-Trauma

Was wir auch nicht wissen wollten, ist, dass der Wolfgang Fierek, wenn er in den USA ist und mit dem Motorrad da rumfährt, manchmal von Männern angebaggert wird und dann ein bisschen ängstlich an Brokeback Mountain denkt. Aber dann singt er "Sweet Home Bavaria" und alles ist wieder gut. Ja, die Stadl-Welt ist nämlich auch in der Version 2.0 in Ordnung. Familie ist wichtig, sagt Alexander Mazza, und Freunde, sagt DJ Ötzi, und Heimat, da sind sich Francine Jordi und Marc Marshall einig, ist besonders wichtig.

In einem der Einspieler sitzen die Moderatorin und der Schlagersänger gemeinsam im Weinberg, trinken ein Gläschen, schauen versonnen über die Hügel ("Da drüben ist ja schon Frong-greisch!") und sind sich einig, dass es wichtig sei, immer wieder in die schöne Heimat zurückzukommen. In dieser Situation läge es nahe, auch über die vielen Menschen zu reden, die derzeit aus ihren Heimatländern fliehen müssen, aber das das würde die Heile-Welt-Stimmung drücken, deswegen flugs zurück in den Ikea-Stadl, wo die Dorfrocker - in Lederhosen und T-Shirt, natürlich - das Lied "Ich steh auf Blasmusik" anspielen. Da hätte man besser nicht so genau hingehört, denn die drei Brüder reimen ungeniert von einem schlanken, rasierten Mädchen, das beim Vorspiel von Bli-Bla-Blasmusik träumt - subtil wie ein Vorschlaghammer.

Das Klischee ist halt so schön, deswegen müssen die Poxrucker Sisters (ein musikalischer Lichtblick in der Show) Fragen zu Frauen und Schuhen beantworten. Nicht genauer nachgefragt wird hingegen bei Jürgen Drews, der zu irgendeinem Lied, das sich anhört wie "Bett im Kornfeld", aber nicht "Bett im Kornfeld" ist, sehr schön Banjo spielt. Das Banjo spielt auch schön weiter, wenn Drews klatscht, winkt oder sich auf die Brust klopft. Aber egal - in der neuen Stadlshow steht man ganz offen zur Illusion.

Wo ist die Eins zum Klatschen?

So fahren kurz danach die Ehrlich Brothers, zwei Magier, mit einem Motorrad aus einem Riesen-iPad heraus, und das ist genau so bescheuert, wie es klingt. Zaubertricks sind in Zeiten digitaler Bildbearbeitung und Computeranimation irgendwie auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wem im 3-D-Kino schon Harry-Potter-Bösewicht Voldemort in Fetzen um die Ohren geflogen ist, der ist nicht mehr beeindruckt, wenn ein Magier aus einem Zettel eine Rose knüllt und dann in Flammen aufgehen lässt.

Der Rest der Sendung hangelt sich von erträglich (Peter Kraus) über peinlich (Marc "Alle fertig machen zum Hüpfen" Pircher) hin zu überraschend guten Acts wie Django 3000. Deren Lied "Heidi" ist ein unterhaltsamer Gypsy-Dance-Kracher, auf den das Publikum allerdings verstört reagiert. Wo ist denn da die Eins zum Klatschen? Eine Viertelstunde vor Ende der Sendung lichten sich dann auch schon die Reihen. Vielleicht ist den Offenburgern schlecht von den drei Litern Schnaps in der ausgeteilten Schwarzwälder Kirschtorte.

Der hölzern moderierende Mazza und die von allem überbegeisterte Jordi überziehen noch ein paar Minuten, bevor sie an Caren Miosga und die Tagesthemen weitergeben und mich alleine lassen mit der Frage: Für wen war das denn gedacht? Ob sich junge Leute wirklich für die Stadlshow begeistern, nur weil auch ein paar Tätowierte was auf Englisch singen durften? Ob das alte Stadlpublikum nicht völlig verschreckt spätestens bei den Dorfrockern abgeschaltet hat?

Mein Opa jedenfalls wäre schon nach den ersten zwei Minuten ins Bett gegangen, um von Stefanie Hertel zu träumen.

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