Süddeutsche Zeitung

Preisverleihung:Großes Schrottwichteln

Ehrliche Freude als Ausnahme: Der Deutsche Fernsehpreis soll die zentrale Eigenlobfestivität sein. Aber in seiner ungelenken Freudlosigkeit ist er nicht weniger als ein Desaster.

Von Hans Hoff

Was ist nur schiefgelaufen in der zwanzigjährigen Geschichte des Deutschen Fernsehpreises? Warum spürt man immer wieder, dass die großen deutschen Sender, die den Preis abwechselnd ausrichten, nicht in der Lage sind, ihre zentrale Eigenlobfestivität wirklich zu lieben?

Man kommt leicht auf solche Fragen, wenn man in den Düsseldorfer Rheinterrassen eine Branche erlebt, die nicht mehr in der Lage zu sein scheint, sich selbst gut zu finden, die beinahe teilnahmslos zusieht, wie in 25 Kategorien Trophäen verschleudert werden. Man könnte die Preise ebenso gut auf einen Haufen werfen, und jeder nimmt sich. Großes televisionäres Schrottwichteln. Ach, Deutscher Fernsehpreis!

Man merkt der Veranstaltung ja an, dass sie besser werden will, aber das ändert nichts daran, dass das Ergebnis in der Summe immer noch ein Desaster ist. Das meiste an diesem Donnerstagabend wirkt halb gar, unentschlossen, mehr gewollt als gekonnt. Nachdem der Fernsehpreis im vergangenen Jahr in einer Kölner Lagerhalle den absoluten Tiefpunkt seiner Geschichte erreicht hatte, ist er nun zurück in Düsseldorf. Sogar dem Missstand, dass ausgerechnet ein Preis, der Fernsehen ehren soll, nicht im Fernsehen stattfindet, hat man abgeholfen. Ein bisschen aber nur. Nun wird der Preis live ins Netz gestreamt und zeitversetzt auch auf der digitalen Abräumhalde One gezeigt. Das ist wohl die bestmögliche Lösung, denn in dem Zustand, in dem sich die Veranstaltung befindet, möchte man sie nicht wirklich allzu vielen Menschen zumuten.

Das beginnt schon bei der Ansprache des diesjährigen Gastgebers. WDR-Intendant Tom Buhrow lässt nur per Video grüßen, klar, weil er am selben Abend andernorts mit den Ministerpräsidenten über den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Systems reden muss. Das Signal ist trotzdem deutlich. Es gibt Wichtigeres als den Fernsehpreis. Statt Buhrow kommt sein Fernsehdirektor auf die Bühne.

"Wir lieben Fernsehen", gibt Jörg Schönenborn zu Protokoll, aber es bleibt fast den ganzen Abend eine Behauptung, die kaum von echter Emotion unterfüttert wird. Außer vielleicht durch Barbara Schöneberger. Die zieht als Moderatorin alle Lichter auf sich. Leider beschämt sie als permanent explodierendes Einfraukraftwerk den ihr als Co-Moderator zugeteilten Steffen Hallaschka, der sicherlich prima bei Stern TV Kärtchen ablesen und Schicksale abfragen kann, der aber als Showmensch allenfalls in der Schönenborn-Klasse spielt. Dem passen sich auch die Preisträger weitgehend an: Sie tun so, als freuten sie sich, aber sie wirken mehrheitlich, als wüssten sie nicht mehr, was Freude ist. Allein die als beste Schauspielerin ausgezeichnete Vicky Krieps und ihr als männliches Pendant geehrter Kollege Albrecht Schuch zeigen sich ernsthaft ergriffen. Ganz kurz blitzt bei deren ungelenk-emotionalen Dankesreden auf, was einen Fernsehpreis auszeichnen könnte. Der Rest ist Routine, bei dem ganz oft von "Liebe und Leidenschaft" die Rede ist, was aber nie wirklich so gemeint zu sein scheint. Das liegt natürlich auch daran, dass an diesem Donnerstagabend sehr viel gebrauchtes Fernsehen bepreist wird. Let's Dance soll die beste Show sein, Inas Nacht ist mal wieder dran, und Bares für Rares wird für unermüdlichen Dauereinsatz mit Trophäen beschmissen. Das Drama Gladbeck wird bester Mehrteiler genannt, Bad Banks als beste Serie, und Jerks gilt nun als beste Comedy. Claus Kleber, Uwe Ochsenknecht und Maria Furtwängler versuchen sich als Laudatoren, liefern aber mit heruntergeleierten Lobestexten aus dem Programmheft nur Argumente für die These, dass sie in ihrer eigentlichen Profession weitaus besser aufgehoben sind. Dann wird noch Luke Mockridge als bester Unterhaltungsmoderator aus Celle zugeschaltet. Aus Celle. Mehr Glamour geht wohl nicht.

Irritierende Momente der positiven Art gibt es wenige. Comedian Maren Kroymanns in der Dankesrede verstecktes Plädoyer für ein besseres von Frauen gemachtes Fernsehen bleibt da lange die Ausnahme. Unfreiwillig skurril wird es, als Mizzi Meyer verdient den Preis als beste Autorin für Der Tatortreiniger bekommt.

In einem aus nicht genutzten Manuskripten gefertigten Kleid stammelt sie sich durch ihre Dankesrede und verhaspelt sich komplett, was angesichts der rundherum vorherrschenden Euphorievortäuschung sehr sympathisch wirkt. Neben ihr steht derweil Tatortreiniger-Darsteller Bjarne Mädel und souffliert. Als sie vom Tiefsinn, der ihre Texte auszeichnet, reden will, sagt der Schauspieler: "Tiefsinn auf jeden Fall streichen." Es sind die Worte zum Abend.

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Quelle:
SZ vom 02.02.2019
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