Süddeutsche Zeitung

Präsident im Photoshop:Obama - einsam eingeölt

Die renommierte Wochenzeitschrift "The Economist" zeigt auf dem Titelbild US-Präsident Barack Obama mutterseelenallein an einem ölverpesteten Strand in Louisiana. So traurig das Foto stimmt, so falsch ist es auch.

Marc Felix Serrao

Das Bild auf der Titelseite des britischen Economist war fast zu traurig, um wahr zu sein: Barack Obama, mutterseelenallein an einem Strand in Louisiana, im Hintergrund der ölverschmutzte Golf von Mexiko. "Obama gegen BP", titelte das Magazin. Und: "Der Schaden hinter dem Fleck".

Es ging, natürlich, um die schlimmsten Naturkatastrophe in der Geschichte der USA, um die Frage, wie der Präsident dem Desaster Herr werden soll. Obama selbst wirkt auf dem Foto alles andere als zuversichtlich, der Blick ist auf den Boden gerichtet, die Schultern sind vorgebeugt. Wie soll er das bloß schaffen, insinuierte die Bildsprache. Er allein?

So traurig das Foto stimmte, so falsch ist es auch. Wie nun bekannt wurde, war Obama auf dem Foto gar nicht allein. Die Originalaufnahme der Agentur Reuters vom 28. Mai zeigt zwei weitere Personen: den inzwischen pensionierten Admiral der US-Küstenwache, Thad Allen, und eine Anwohnerin von der Küste. Vergleicht man beide Bilder, entsteht ein anderer Eindruck. Hier Einsamkeit und Resignation, dort ein offenbar konzentriert geführtes Gespräch. Das erste, mit einer Foto-Software veränderte Bild hat zweifellos einen starken Symbolcharakter, das zweite wirkt weniger prägnant, weniger titeltauglich.

Darf man mit Photoshop arbeiten? Darf ein journalistisches Medium, zumal ein weltweit geachtetes Heft wie der Economist, Bilder manipulieren? "Die Grenze verläuft dort, wo Menschen in die Irre geführt werden", sagte Emma Duncan, stellvertretende Chefredakteurin des Economist, der SZ am Dienstag. Man dürfe einem Bild keine politische Bedeutung verleihen, die es nicht habe: "Und es war absolut nicht meine Absicht, so etwas zu tun, als ich entschieden habe, die unbekannte Frau neben dem Präsidenten aus dem Bild zu entfernen." Der Economist bearbeite seine Titelfotos häufig, und auch in diesem Fall sei das "völlig in Ordnung" gewesen. Etwas Anderes, so Duncan, wäre es gewesen, wenn ein bekannter Mensch neben Obama am Strand gestanden hätte: "Michelle Obama hätte ich nicht herausgeschnitten."

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Quelle:
SZ vom 07.07.2010/woja
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