Prämierter Satire-Cartoon "Deutsches Fleisch":"Wenn wir's nicht machen, macht es keiner"

Hitler als strenger Familienvater, Rapper Sido als er selbst und mittendrin Peter Lustig: In ihrer Cartoon-Serie "Deutsches Fleisch" drehen ZDF-Lab-Gewinner Ilja Schmuschkowitsch und Willy Kramer alles durch den Fleischwolf, was Deutschland für sie ausmacht. Ein Gespräch über die Frage, was das deutsche Fernsehen vom amerikanischen lernen kann.

Carolin Gasteiger

Vier arbeitslose Freunde, die die Welt retten wollen - die deutsche. Mit dabei die spießige Familie "Die Hitlas", eine Hasen frittierende Imbissbudenbesitzerin, ein wienerisch näselnder Baron und dessen vom Leben gebeutelter Vater, der in einem Tank aus flüssigem Stickstoff lebt und seinen Sohn zurück haben will. Mit sächsisch sprechenden Hilfssoldaten und keinem geringeren als dem Spee-Fuchs aus der TV-Werbung.

Deutsches Fleisch ZDF

Die Hitlas, Sido und Peter Lustig - die Cartoon-Serie "Deutsches Fleisch" lässt kaum eine deutsche Klischeefigur aus.

(Foto: [m] Ilja Schmuschkowitsch ; Meta)

"Deutsches Fleisch" lässt kein Klischee aus, kaut darauf herum und bereitet daraus eine schräge Satireshow. Hinter der Cartoon-Serie stehen Ilja Schmuschkowitsch und sein Partner Willy Kramer. Schmuschkowitsch arbeitet als freier Texter und Werber, vor allem für die Autobranche, Kramer hat "in den letzten zehn Jahren jede kreative Disziplin ausprobiert", wie er selbst sagt. Zuletzt eine "trashige" Online-Late-Show namens "Berlin Fucking City". Mit der Cartoon-Serie "Deutsches Fleisch" machen die Kreativen nun auf professioneller Ebene das, was sie seit Jahren schon tun: "Wir bringen uns gern zum Lachen", so Schmuschkowitsch.

Das Produkt ihres Humors hat sich in dieser Woche im ZDF Lab durchgesetzt, einem Nachwuchswettbewerb für TV-Macher, bei dem die Zuschauer über die eingereichten Vorschläge abstimmen können. "Deutsches Fleisch" läuft in der kommenden Programmsaison auf ZDFneo.

Süddeutsche.de: Was ist für Sie typisch deutsch?

Ilja Schmuschkowitsch: Wir haben einen vertikalen Blick auf die deutsche Kultur, weil wir keine Blut-und-Boden-Deutsche sind (beide haben sowjetische Wurzeln, Anm. der Red.), um es mal so auszudrücken. Wir waren und sind zwar immer mittendrin, haben aber gleichzeitig einen Blick von außen. Für das Intro zu "Deutsches Fleisch" haben wir natürlich Klischees verwendet: Schäferhunde, Wurst. Aber es geht darüber hinaus.

Süddeutsche.de: Wie kamen Sie auf die Idee zu der Cartoon-Serie "Deutsches Fleisch"?

Willy Kramer: Wir wollten etwas Authentisches in Deutschland entdecken, uns darüber austauschen. Irgendwann kamen wir an den Punkt: Wenn wir's jetzt nicht machen, macht's keiner. Und das Cartoon-Format bietet viele Möglichkeiten für Comedy. Wenn man ein Raumschiff will, zeichnet man ein Raumschiff, wenn man einen Oktopus mit 70 Armen will, zeichnet man den. Also haben wir uns sehr schnell für dieses Genre entschieden.

Süddeutsche.de: Wie kam es zu dem martialischen Titel?

Kramer: Ilja hat mich dazu inspiriert, wir hängen gern in Metzgereien rum. Buletten, Blutwurst, das mögen wir einfach.

Schmuschkowitsch: Der ursprüngliche Titel war anders, aber das passt jetzt ganz gut mit den frittierten Hasen und der deutschen Substanz, die wir durch den sprichwörtlichen Fleischwolf drehen.

Süddeutsche.de: Wenn man sich die Protagonisten zu Gemüte führt - ein abgehalfterter singender Baron, ein vereinsamter Nerd, ein ehemaliger Kindersoldat und ein Öko-Jünger mit einem wahnsinnigen zweiten Ich - dann sieht Deutschland für Sie ziemlich arm aus.

Schmuschkowitsch: Prinzipiell sind Loser ja sympathischer als Notarssöhne, die in Berlin-Zehlendorf oder München-Grünwald aufwachsen. Ich weiß nicht, ob die als Klischee getaugt hätten, um Deutschland in all seinen Facetten zu zeigen. Die vier Jungs sind für uns eine bessere Steilvorlage, um lustig zu sein. Aber wir sehen sie gar nicht als Losertypen, eher als herausgefordert. Und am Ende gehen sie ja als Sieger vom Feld.

Süddeutsche.de: Wer ist Ihr Lieblingscharakter in der Serie?

Schmuschkowitsch: Dadurch, dass wir selbst teilweise die Charaktere sprechen - ich den Malte oder Peter Lustig oder Willy den Issa und Kowalsky -, ergeben sich dadurch natürlich Favoriten. Besonders schlägt mein Herz für Uwe Hitla. Die muffige Vorstadtstimmung, das Schmatzen und Schweigen in der Szene beim Abendbrot, das finde ich großartig, weil das alles so verdammt traurig ist. Er meint es ja nur gut, wenn er sein kleines Kind sprachlich korrigiert! Er verfolgt wahrscheinlich wirklich hehre Ziele damit - die deutsche Sprache rein zu halten vielleicht - aber am Ende geht alles schief und artet in einem furchtbaren Streit aus. Lieber glücklich zu sein, als recht zu haben: So ein Gedankengang ist dieser Spießerfigur vollkommen fremd.

Den Serienpilot zu "Deutsches Fleisch" können Sie sich hier ansehen.

Typisch deutsch: Genuss mit Reue verbinden

Süddeutsche.de: Sido spricht sich selbst - wie haben Sie den überzeugt?

Kramer: Letztendlich hat ihn das Drehbuch überzeugt. Sido hat in seinem Leben wohl schon alles gemacht, was Entertainment angeht, von Moderation über Rap bis zum Schauspieler. Wir kannten ihn schon von vorherigen Projekten. Als er das Skript bekommen hat, wollte er sofort mitmachen. Ich glaube, dass es auch toll ist - für Sido und alle anderen Promis, die künftig in der Serie sein werden - sich selbst zu spielen und animiert zu sein. Das ist ja sowas wie ein Porträt, es macht einen unsterblich.

Süddeutsche.de: Welche Promis sollen denn noch eingebaut werden?

Schmuschkowitsch: Joachim Gauck ist im Gespräch, Barack Obama (lacht).

Kramer: Wir hätten gerne Peter Lustig.

Süddeutsche.de: Warum? Ist er für Sie typisch deutsch?

Kramer: Er ist der furchtbar nette politisch korrekte Grüßonkel aus dem Fernsehen, der uns 6-Jährigen nach der Sendung immer gleich riet, die Glotze direkt wieder auszuschalten. Das ist irgendwie harmlos-süß und bigott zugleich. Und vielleicht ist das ja das typisch Deutsche, oder wahrscheinlich eher Protestantische, daran: Genuss lieber gleich mit Reue zu verbinden.

Süddeutsche.de: Besonders hat es Ihnen offensichtlich auch der ostdeutsche Dialekt angetan.

Schmuschkowitsch: Wenn irgendjemand ostpreußisch könnte, dann würden wir gern dazu aufrufen, sich bei uns zu melden (lacht). Nein, aber die Geschichte gehört natürlich zu Deutschland dazu. Wir haben teilweise wunderschöne Dialekte, teilweise nicht wunderschöne. An diesen Eigenheiten möchten wir auch weiterarbeiten.

Kramer: Natürlich wollen wir diese Akzente und Dialekte integrieren, das ist eben Deutschland. Für jemand aus dem Ruhrpott ist Deutschland halt nicht Berlin und andersrum. Wir versuchen, möglichst viele Facetten unterzubringen.

Süddeutsche.de: Nun hat "Deutsches Fleisch" das ZDF Lab gewonnen und geht auf ZDFneo in Serie. Hätten Sie damit gerechnet?

Kramer: Wir wussten wirklich nicht, ob dieses innovative Format bei der Mehrheit ankommt. Aber wir wurden in unserer Idee bestätigt.

Schmuschkowitsch: Wir wollten es ursprünglich verschiedenen Fernsehsendern anbieten. Aber die Auswahl ist nicht besonders groß, weil sich nicht viele Sender trauen können, solch ein Format in ihr Programm aufzunehmen. Über unsere Koproduktionsfirma SEO sind wir schließlich an ZDFneo und das Lab gekommen.

"Warum soll nichts Witziges aus Deutschland kommen?"

Süddeutsche.de: In der Machart erinnert der Pilot von "Deutsches Fleisch" an US-Serien wie "Family Guy" oder "American Dad". Funktionieren im deutschen Fernsehen nur noch Formate nach US-Vorbild?

Schmuschkowitsch: Die US-Formate prägen die ganze Welt, die setzen einen sehr hohen internationalen Standard. Der hat in Deutschland bislang gefehlt. Die strikte Trennung zwischen E und U (Ernst und Unterhaltung, Anm. d. Red.) hierzulande haben wir nie verstanden. Wenn's nicht gerade eine knallharte Dokumentation über die Kinder vom Bahnhof Zoo ist, dann ist es in Deutschland ja schon gar nicht mehr valide. Wir haben nicht versucht, etwas Amerikanisches zu kopieren, sondern den Level, den Look und die Geschwindigkeit anzuheben.

Kramer: Deutschland hat den internationalen Ruf, nicht besonders innovativ und witzig zu sein, was Entertainment angeht, und wir sehen das nicht ein. Warum soll denn nichts Witziges aus Deutschland kommen? Lasst uns doch mal ein bisschen innovativ sein und uns nicht immer am Vorhandenen orientieren. Es gibt keine einzige Zeichentrickserie für Erwachsene in Deutschland aus deutscher Hand. Das war unsere Inspiration.

Süddeutsche.de: User kommentieren auf der ZDF-Lab-Seite, die Witze in "Deutsches Fleisch" wären zum Teil arg platt.

Kramer: Das sind Metawitze, die versteht leider nicht jeder. Wenn etwas sehr platt ist, dann muss man dahintergucken, manchmal ist da noch eine zweite Ebene. Manchmal sind sie auch einfach platt. So sind wir halt. Wir haben ein Herz für einfachen Slang, einfache Witze, es geht aber auch höher. Das gehört zusammen. Wir wollen weder elitär noch primitiv sein, sondern vermischen das auf einer Metaebene.

Süddeutsche.de: Ist das Ihre Form der Medienkritik?

Schmuschkowitsch: Es ist keine Medienkritik. Es ist wie es ist. Jetzt die deutsche Unterhaltungsindustrie zurückgehend auf Peter Frankenfeld zu kritisieren, würde keinen Sinn machen. Wir möchten etwas Neues aufs Tablett bringen. Und da setzen wir uns gern der Kritik aus, ein Plagiat von "Family Guy" oder "American Dad" zu sein. Aber ein bisschen mehr Geduld würden wir uns schon wünschen, wir haben ja noch gar keine vollständige Staffel rausgebracht. Danach kann man uns gern zerreißen.

Kramer: Abgesehen davon ist es ein tolles Lob, uns mit "Family Guy" zu vergleichen, weil es das Beste ist, was es auf der Welt gibt. Also vielen Dank.

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