Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Der Archäologe des Pop

Andreas Banaski gab dem Popjournalismus eine neue Dimension an Seriosität und Tiefe.

Von Andrian Kreye

Es war immer etwas unangenehm, wenn man für die Zeitschrift Tempo schrieb und einen Text beim Archivar Andreas Banaski zum Gegenlesen abgab. Man wusste ja, dass er den im Zweifelsfall besser geschrieben hätte. Seine Schärfe und seine Sprache gehörten zu den Messlatten eines neuen Journalismus, auf den man langsam hinarbeitete.

1981 kam er zur Zeitschrift Sounds, dem Zentralorgan des guten Geschmacks in Deutschland. Er nannte sich da schon Kid P. und war bald schon der Mann fürs Austeilen, einer, der kein Elitendenken aufkommen ließ im Aufbruch des Pop-Intellektualismus. Tony Parsons und Julie Burchill waren seine Vorbilder, die Londoner Großmeister des brillanten Hassens. Punk-Fanzines hatte er herausgegeben und mit seinem Freund "Donald Fuck" Schmalfilme gedreht. Geschwätz und Posen waren ihm ein Gräuel, weil er dahinter einen schlampigen Umgang mit der Wahrheit vermutete. Und in seiner legendären Serie über die deutschen Popstädte Berlin, Hamburg, Düsseldorf blieb nicht viel übrig von der Selbstbegeisterung der Neuen Deutschen Welle damals. Genauso leidenschaftlich konnte er sich aber auch begeistern. Für Pop, wie ihn Heaven 17 oder ABC spielten, für Hollywoodfilme.

Er sorgte dafür, dass Popkultur in Deutschland so ernst genommen wurde wie Hochkultur

1983 war Schluss mit Sounds und auch mit der Kunstfigur Kid P. Bei der Zeitschrift Tempo kam er unter, baute gemeinsam mit Tina Hohl eine Dokumentationsabteilung auf, die es so nicht gab in Deutschland. Akribisch werteten sie all die Magazine aus, die in den großen Redaktionen nur durchgeblättert wurden. The Face, NME, Actuel oder Rolling Stone nahmen sie so ernst, wie andere sonst National Geographic und die New York Times. Über die Jahre entstand so ein einzigartiges Archiv der Popkultur. Als Tempo 1996 geschlossen wurde, durften sie das Archiv mitnehmen. Und so verdiente er noch lange Geld damit, die großen Redaktionen mit jenem Popwissen zu versorgen, das sie in ihren eigenen Archiven nicht fanden. Wenn eines also bleibt aus seinem Leben, dann, dass er mit dafür sorgte, dass Popkultur in Deutschland so ernst genommen wird wie sonst nur die Hochkultur.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Andreas Banaski schwerkrank in einem Pflegeheim in seiner Geburtsstadt Büchen. Vergangene Woche ist er dort gestorben. Er wurde 63 Jahre alt.

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