Nachruf auf "Ponkie":Am Schirm mit Charme und Sonnenbrille

Nachruf auf "Ponkie": Ponkie schrieb ehrlich, kenntnisreich und von tiefer Liebe zum Sujet Film geprägt. Bernd Eichinger bescherte sie den schlimmste Moment seiner Karriere, ihr Publikum liebte sie.

Ponkie schrieb ehrlich, kenntnisreich und von tiefer Liebe zum Sujet Film geprägt. Bernd Eichinger bescherte sie den schlimmste Moment seiner Karriere, ihr Publikum liebte sie.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Sie war so frei: Zum Tod der legendären und verehrten Münchner Filmkritikerin Ilse Kümpfel-Schliekmann alias "Ponkie".

Von Karl Forster

Sie war die Meisterin der treffsicheren Pointen und ein Solitär in der Riege der Film- und Fernsehkritiker. Sie war geschätzt wie gefürchtet, und sogar Selbstbewusstseinsriesen wie der Produzent Bernd Eichinger gingen vor ihr in die Knie. Als er die Rezension über seinen Film Last Exit Brooklyn gelesen hatte, verfasst von Ponkie in der Münchner Abendzeitung, sei dies "der schlimmste Augenblick" in seiner Karriere gewesen. Ponkie, das ist nicht nur ein fröhlicher Spitzname einer großen Dame der Filmkritik, den sie sich als Studentin der Germanistik und Zeitungswissenschaften erworben hat. Ponkie ist über die Jahrzehnte ein Markenzeichen geworden für ehrliche, kenntnisreiche und von tiefer Liebe zum Sujet Film geprägter Meinung. Seit 1956 schrieb Ilse Kümpfel-Schliekmann unter diesem Signum im Feuilleton der Abendzeitung. Wobei der zweite Teil des Familiennamens sich einem Tennisspieler verdankt, der bald aus Frau Kümpfels Leben verschwand. Aber der Name Ponkie blieb und ist absolut mitverantwortlich für den einst legendären Ruhm des Kulturteils dieser Zeitung.

Ponkie pflegte dabei - als freie Journalistin, die sie immer blieb - nicht nur eine unbestechliche Urteils- und Wortkraft, die mancher fürchtete und die manchen, zum Beispiel Herbert Achternbusch oder Rainer Werner Fassbinder, gegen die Mainstream-Apologeten wortgewaltig zu verteidigen half. Ponkie machte sich nie gemein mit der Szene und ihren Eitelkeiten. Sie bewahrte immer Distanz, auch wenn sie Helmut Fischer vor seiner Schauspielerkarriere als Rezensent ins AZ-Feuilleton holte.

Ponkies Leben war ein Leben mit TV-Schirm, später mit Videorecorder, und immer mit Disziplin

So wurde sie, ganz nebenbei, auch zu einem Markenzeichen Münchens, zumindest des kulturellen Münchens, und es ist daher nur logisch, das der kulturaffine einstige Oberbürgermeister der Stadt, Christian Ude, anlässlich eines runden Geburtstages freimütig bekannte: "Ponkie, ich liebe dich!"

Solche Liebe und Respekt erfuhr die dreifache Mutter und am Ende gar Urgroßmutter nicht nur von Menschen, denen sie mit spitzer Feder die Leviten schrieb. Auch Kulturinstitutionen der oft behäbigeren Art würdigten Ponkies Einzigartigkeit. Sie wurde geehrt mit dem Schwabinger Kunstpreis (obwohl sie in Solln wohnte), mit dem Adolf-Grimme-Preis, dem Wilhelm-Hoegner-Preis für ihre "Verdienste um die Freiheitsrechte" und dem One-Future-Preis beim Münchner Filmfest 2013. Mag sein, dass sich Ponkie über solche Ehrungen still gefreut hat. Sicher aber schmunzelte sie, als gar Thomas Gottschalk ihr in der Abendzeitung zum 75. Geburtstag mit einem Aufsatz gratulierte und (was für ihn nicht selbstverständlich ist) gestand, er nehme sie "ernst und mir das, was sie schreibt, zu Herzen".

Nachruf auf "Ponkie": Ponkie (Mitte) 1989 mit Kollegen in der damaligen Münchner Gaststätte Großhesselohe, darunter Hannes Obermaier, der in der "Abendzeitung" unter dem Pseudonym "Hunter" schrieb (7.v.l.), dem späteren stellvertretenden SZ-Chefredakteur Ernst Fischer (4.v.l.) und Michael Jürgs (l.).

Ponkie (Mitte) 1989 mit Kollegen in der damaligen Münchner Gaststätte Großhesselohe, darunter Hannes Obermaier, der in der "Abendzeitung" unter dem Pseudonym "Hunter" schrieb (7.v.l.), dem späteren stellvertretenden SZ-Chefredakteur Ernst Fischer (4.v.l.) und Michael Jürgs (l.).

(Foto: Heinz Gebhardt/imago images)

Solches galt und gilt vor allem fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen, dem Ponkie immer wieder und nicht nur in der Abendzeitung den Spiegel vorhielt. Sie mahnte zum Beispiel vor einem "Wettlauf mit dem Analphabetentum", weil ARD und ZDF "seit etlichen Jahren zu erkennen geben, dass für die das Volk nur aus Musikantenstadl, Hitparade und Lachsack-Comedy besteht". Ponkies Fazit: "Wer nicht Tomaten auf den Augen hat, kann sich ausrechnen, dass so etwas auf die Dauer ein Akt der Selbstzerstörung ist."

Ponkies Leben war ein Leben mit TV-Schirm, später mit Videorecorder, dann mit allen möglichen Speichertechniken der modernen Zeiten. Und ein Leben mit strenger Disziplin, galt ihr doch viele Jahre das Verdikt: Nur ein fernsehfreier Tag pro Woche. Trotzdem schaffte Ponkie auch ein Leben mit Kuchen, mit Familie, mit einer Gelassenheit, die man nicht erlernen, sondern nur bewundern kann. Wer jemals bei ihr zu Hause einen Marmorkuchen serviert bekam, erlebte Ponkie als sorgende, liebende, in sich ruhende Dame ohne die übliche, Distanz gebietende Sonnenbrille.

Nachruf auf "Ponkie": Ponkies Türschild in München-Solln.

Ponkies Türschild in München-Solln.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Am Sonntag gegen zwölf Uhr erreichte die SZ eine Mail von Ponkies Sohn Uli Kümpfel. Er teilte im Namen seiner Geschwister mit, dass Ponkie am 30. Dezember "im Kreise der Familie friedlich eingeschlafen ist". Sie wurde 95 Jahre alt.

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