"Polizeiruf" aus Magdeburg:Zum Mitschämen

TV Ausblick ARD - Polizeiruf 110: Der Verurteilte

Doreen Brasch (Claudia Michelsen) sucht im Wald mit Kollegen nach Leichen.

(Foto: Stefan Erhard/dpa)

"Der Verurteilte" beweist, dass man für Spannung nicht viel mehr braucht, als interessante Gespräche - bis dieser Film, leider, in brutale Action umkippt.

Von Theresa Hein

"Mein Leben ist ein Haufen Scheiße, auch dank Ihnen". Puh. Wenn Sätze ein Gewicht hätten, dieser wöge eine Tonne. Wie reagiert man also auf diesen Satz - wenn man ahnt, dass er wahr sein könnte? Gibt ja angenehmere Vorwürfe.

Wahrscheinlich würde man genauso reagieren, wie Hauptkommissarin Doreen Brasch, gespielt von Claudia Michelsen, es im Polizeiruf aus Magdeburg tut: Ein betretener Blick zur Seite und ein leiser Versuch, sich zu rechtfertigen. Michelsen macht das so überzeugend, dass man sich zu Hause vor dem Fernseher gleich ein bisschen mitschämt.

Überhaupt gehört die ganze erste Stunde dieses Polizeirufs den Gesprächen, die Doreen Brasch führt: Da sind eine Vernehmung mit Markus Wegner (Sascha Geršak), der verdächtigt wird, zwei Frauen ermordet zu haben. Die Gespräche mit einem Mann, der vielleicht unschuldig für einen dieser Morde verurteilt wurde (Niels Bormann). Und das Gespräch mit der Frau des Verdächtigen (erbarmungswürdig mit Elektroschock-Frisur, Laura Tonke). Die Vernehmung zwischen Doreen Brasch und dem Verdächtigen Markus Wegner dürfte übrigens als eine der nervigsten Krimibefragungen am Sonntagabend in die Fernsehgeschichte eingehen. Claudia Michelsen spielt die hartnäckige, ständig mit dem Zeitdruck kämpfende Ermittlerin. Ihr gegenüber sitzt Sascha Geršak als schmollender, aufmüpfiger und endlich mal überzeugend schwer zu durchschauender Soziopath.

Die Vernehmungsszene erstreckt sich mit kurzen Unterbrechungen über zehn Minuten - für einen Krimi von 90 Minuten eine nicht unerhebliche Zeit. Als hätten der Drehbuchautor (Jan Braren) und die Regisseurin Brigitte Maria Bertele beweisen wollen, dass man für Spannung nicht viel braucht, außer einen Dialog - und den Beweis erbringen sie. Dass der Versuch so gut gelingt, ist auch der Leistung des Trios Tonke, Michelsen, Geršak verdanken.

Irgendwann hat's aber wohl gereicht mit der minimalistischen Erzählweise. Jedenfalls ist dieser Polizeiruf in der zweiten Hälfte gekennzeichnet durch einen harten Bruch. In der letzten halben Stunde geht es ungewöhnlich brutal zu. Schade ist das, weil dieser Film diesen plumpen Actionkniff womöglich gar nicht gebraucht hätte. Was nach "Der Verurteilte" in Erinnerung bleibt - eine Meisterleistung, wenn man die Drastik der letzten Szenen bedenkt - ist Laura Tonke als Ehefrau Wegner, Laura Tonke mit dieser lächerlich hellgelben Frisur als Zwischenwesen zwischen Täterin und Opfer. Wie sie noch einmal versucht, einen Ausweg aus ihrer Lage zu finden und dann nochmal und nochmal, bis ihr nur noch eine flehende Bitte bleibt.

Polizeiruf, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

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Ich befinde mich schon mein ganzes Leben in Isolation. Alles gut. Also fast alles.

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