"Polizeiruf 110" aus München:Vielleicht der beste "Polizeiruf 110" mit Matthias Brandt

Polizeiruf 110

Baumann (Markovics, l.) gesteht einen Mord. Meuffels (Brandt) zweifelt, auch an sich selbst.

(Foto: Wiedemann & Berg/BR)

Im "Polizeiruf 110" will ein Mann unbedingt der Täter sein. Eine Geschichte über Beweise und Gegenbeweise - und eine, die wirklich großartig ist.

TV-Kritik von Katharina Riehl

Die Münchner Episoden des Polizeiruf 110 mit Matthias Brandt als Hanns von Meuffels sind von Beginn an Einzelkunstwerke gewesen, geschrieben und inszeniert von sehr unterschiedlichen Künstlern, von Autoren wie Günter Schütter, von Regisseuren wie Dominik Graf, Hans Steinbichler, Jan Bonny oder Christian Petzold, und bemerkenswert war stets, wie sehr dieser Kommissar den Zuschauer berührte, obwohl er doch nie wirklich greifbar wurde.

Der Mensch Hanns von Meuffels blieb immer im Ungefähren, weshalb keine Ehefrau und keine Essensgewohnheit die Freiheit beschränkte, anhand dieses Mannes Geschichten zu erzählen.

Erzählerisches Experiment

Dieses Mal hat Marco Kreuzpaintner (Krabat) Regie geführt (sein erster Fernsehfilm), und wüsste man nicht, dass man diesen Gedanken schon früher ein paar Mal hatte, wäre man geneigt zu sagen: Das ist bisher der beste Film der Meuffels-Reihe.

"Und vergib uns unsere Schuld" ist erzählerisch ein Experiment, aber (für alle, denen schon das Wort schlechte Laune macht): kein anstrengendes Experiment. Der Film beginnt mit einem Selbstmord, ein junger Mann hängt sich in seiner Gefängniszelle auf. Kurz darauf sitzt Jens Baumann in einem Vernehmungszimmer bei Hanns von Meuffels und sagt: Ich bin es gewesen, der 2006 das 16-jährige Mädchen getötet hat, nicht der junge Mann aus der JVA.

Wenn dem so wäre, dann hätte der Kommissar von Meuffels damals den falschen überführt, einen Unschuldigen in den Knast gebracht, weshalb die Ermittlungen in diesem Film quasi gegenläufig sind zu denen in einem klassischen Krimi: Meuffels will beweisen, dass Jens Baumann nicht der Mörder war, und so ziehen die beiden Männer auf der Suche nach Hinweisen und Gegenhinweisen gemeinsam über die bayerischen Dörfer.

Baumann bietet von Meuffels immer neue Versionen seiner Geschichte an, mal mit Sonne, mal mit Regen, mal traf er das Opfer auf der Straße, mal in einem Laden. Unterschiedliche Erzählungen aus dem Juni 2006, nur im Hintergrund spielt immer die Deutsche Nationalmannschaft. Und der Begriff "Sommermärchen" bekommt noch einmal einen ganz eigenen Sound.

In einem solchen Film muss man für einem Schauspieler wie Matthias Brandt einen Gegenpart finden, der mit dessen Wucht auch mithalten kann. Der Österreicher Karl Markovics (Die Fälscher) spielt diesen Baumann auf der sehr schmalen Kante zwischen schwindender Bürgerlichkeit und nahendem Wahnsinn. Im Gesamtpaket mit diesem irren Blick, für den er vermutlich gar nicht so arg viel kann, ist das wirklich sehr großartig. Ein Einzelkunstwerk. Vielleicht das beste bisher.

Polizeiruf 110, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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