"Polizeiruf 110" aus München:In jedem von uns steckt ein Wolf

Polizeiruf 110; Wölfe BR Christian Petzold Polizeiruf Barbara Auer Matthias Brandt

Constanze Hermann will vom Alkohol loskommen, nicht von Hanns von Meuffels.

(Foto: Claussen+Putz Filmproduktion Gmb)

Aber das macht nichts, wenn es so knistert wie zwischen Kommissar von Meuffels und seiner Bekannten. Die Nachlese zu einem ganz feinen "Polizeiruf".

Kolumne von Carolin Gasteiger

Darum geht es:

In einem Wald im bayerischen Irgendwo wird eine Frau tot aufgefunden, ihr Gesicht ist entstellt von den Bissspuren eines Wolfes. In der Nähe des Tatorts versucht Constanze Hermann, die Hamburger Kollegin von Kommissar von Meuffels aus "Kreise", in einem Kloster vom Alkohol loszukommen. Stattdessen hilft sie von Meuffels bei den Ermittlungen. Abgesehen von jeglichen Wolfs-Assoziationen und -Anspielungen feiert dieser Polizeiruf aber auch die feinen Gefühle.

Bezeichnender Dialog:

Viel reden Constanze Hermann und Hanns von Meuffels nicht miteinander. Aber in die wenigen Worte, die hier gegen Ende des Filmes fallen, legen sie umso mehr Bedeutung:

Hermann: Man kann doch nicht in Urlaub fahren, wenn man seine Arbeit nicht erledigt hat.

von Meuffels: Du bist aber gut erzogen.

Hermann: Findest du nicht?

von Meuffels: Machen alle anderen doch auch. (...) Ich will ja nicht so einen Scheiß-Urlaub.

Hermann: Was willst du denn für einen?

von Meuffels: Filme gucken mit dir.

Hermann: Den mit Paul Newman.

von Meuffels: Gibt auch noch andere. Den mit der Tapetentür würde ich zum Beispiel auch gern nochmal sehen. Ja, wir müssen ja nicht nur Filme gucken. Schön ist ja auch, Musik hören mit dir.

Hermann: Okay.

von Meuffels: Echt?

Hermann: Ja. (lacht)

Die besten Zuschauerkommentare:

Top:

Kammerspiel statt Krimi-Action. Christian Petzold verzichtet auf großes Bohei mit aggressiven Verhören oder wilden Verfolgungsjagden. Ganz sachte, aber umso brutaler führt er dem Zuschauer vor Augen, welche Wirkung Wölfe immer noch auf uns ausüben. Ebenso sachte lässt er sich die Beziehung zwischen Hermann und von Meuffels entwickeln. Da bedeutet "Rauchen wir noch eine Zigarette?" ungefähr das, was bei anderen in einer wilden Knutscherei endet.

Flop:

Wenn der Titel schon "Wölfe" heißt, hätte man diese ruhig noch ein bisschen öfter zeigen können - und zwar echte.

Aufregendste Szene:

Weil die einzige mit Überraschungseffekt: Constanze Hermann läuft mit neun Gin Tonic intus durch den dunklen Wald und singt vor sich hin, den Song "Anyone who had a heart", den sie eben noch im Wirtshaus gehört hat. Auf einmal hört sie etwas, bleibt stehen und dreht sich langsam um. Und da sieht sie den Wolf, riesengroß und mit roten Augen. Und fällt um.

Beste Auftritte:

Barbara Auer und Matthias Brandt. Matthias Brandt und Barbara Auer. Sie, wie sie vor sich hin singend durch den Wald torkelt; er, wie er sie interessiert beim Rauchen beobachtet. Und wie sich ansehen! Die beiden spielen brillant zwei verletztliche Seelen, die es ganz langsam angehen wollen, um nicht wieder verletzt zu werden. Man darf gespannt sein, was im dritten Polizeiruf mit Auer und Brandt passiert.

Die Erkenntnis:

In jedem von uns steckt ein Wolf. Oder wie es Holger Gertz in seiner Rezension formuliert: Petzold lasse keinen Zweifel dran, "dass Menschen - jedenfalls die interessanteren - auch nur Problemwölfe sind, und ihr Biotop ist die Problemwelt." Immerhin hängt diese für Hermann und von Meuffels voller Geigen.

Schlusspointe:

Hermann und von Meuffels laufen in die dunkle Nacht, zu den Wölfen. Plötzlich fällt ein Schuss, und ein Wolf blickt zu den beiden Kommissaren. Im Hintergrund läuft immer noch "Anyone who had a heart".

Anm. d. Red. In einer früheren Version hieß der erwähnte Song fälschlicherweise "Rain". Den hören Constanze Hermann und Hanns von Meuffels zusammen im Wirtshaus. In den oben beschriebenen Szenen läuft "Anyone who had a heart" von Dionne Warwick. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: