Polizeiruf 110:Einer mit Esprit

Polizeiruf 110: "Weil sich was ändern muss": André Kaczmarczyk als Kommissar Vincent Ross.

"Weil sich was ändern muss": André Kaczmarczyk als Kommissar Vincent Ross.

(Foto: rbb/Volker Roloff)

In "Der Gott des Bankrotts" verleiht der exzellente Kommissar Ross einem schon tausend Mal durchgekauten Plot einen ganz eigenen Charme.

Von Holger Gertz

Dieser Polizeiruf ist ziemlich vollgestellt mit Kommissarsätzen: "Hatte Ihr Mann eine Lebensversicherung?" - "Wann haben Sie Ihren Vater das letzte Mal gesehen?" - "Was ist eigentlich mit dem Alibi von Schick?" Und, ein Klassiker: "Kommense, lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen." Besonders zu Beginn wird sehr, sehr viel geredet, da wirkt "Der Gott des Bankrotts" wie ein allzu konventioneller Whodunit. Ein Toter liegt in der Kiesgrube, der Mann hatte Schulden und war in die Klauen eines gewohnt raffzahnig dargestellten Insolvenzverwalters geraten. Schon tausend Mal durchgekaut, dieser Plot.

Dass der mäßig spannende Fall dann doch seinen eigenen Charme entwickelt, hängt entscheidend mit der Besatzung im Kommissariat zusammen. Bei den Brandenburger Ermittlern drehte sich das Personalkarussell so schwungvoll wie zuletzt nur in der Winterpause im Bundesliga-Kader des FC Augsburg. Maria Simon als Olga Lenski ist länger weg, inzwischen fehlt auch Lucas Gregorowicz als Adam Raczek. Geblieben ist André Kaczmarczyk als Vincent Ross, ein als "genderfluid" beschriebener Kriminalhauptkommissar: kajalumrahmte Augen, Schlangenprint-Shirt.

Ross etabliert das wohl längste Wort, das je am heiligen Krimisonntag gepredigt wurde

So eine Figur ist schnell überzeichnet, aber der exzellente Kaczmarczyk verbindet hier das Exaltierte mit dem Geerdeten, das Unkonventionelle mit dem Einfühlsamen. Er ist ein Ermittler, der wie der Dortmunder Tatort-Held Faber den Tathergang nachspielt. Aber er ist, anders als Faber, ein zuhörender, mitfühlender Typ. Regisseur Felix Karolus und Drehbuchautor Mike Bäuml lassen ihn bezeichnende Sätze sagen, die Geschichte spielt schließlich am Rand des Jakobswegs. Dass das Ganze nicht ins Esoterische abgleitet, liegt auch am Kommissar, der schon mit der Begrifflichkeit der Sinnsuchenden nicht viel anfangen kann und, ganz nebenbei, das wohl längste Wort etabliert, das je am heiligen Krimisonntag in die Wohnzimmer der Gemeinde gepredigt worden ist: "Sag mal, diese Pilgerwegsjakobsstreckenwanderkarte - wo hat er die hingetan?"

Dem schillernden Vincent Ross ist Karl Rogov (Frank Leo Schröder) an die Seite gestellt worden. Altes Eisen, harter Bulle, Mann von gestern. Aber Ross, mit seinem Esprit, weckt ihn noch mal auf. Schön auch, wie die beiden gar keinen Anlauf brauchen, um sich vertrauen zu können und mit wenigen Worten viel sagen.

Rogov: "Warum geht einer wie du eigentlich zur Polizei?"

Ross: "Weil sich einfach alles ändern muss."

Polizeiruf 110, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste.

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