Polizeiruf 110:Das Problem mit der Botschaft

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Der Münchner "Polizeiruf" mit Matthias Brandt hat sonst selten eine gesellschaftspolitische Agenda, doch diesmal geht es um den Pflegenotstand.

Von Katharina Riehl

Der Film beginnt mit seinem Ende, Kommissar Hanns von Meuffels geht rückwärts hinaus aus dem Zimmer mit der Banane, weg von der toten alten Frau in ihrem Bett. Hinter ihm läuft das Sondereinsatzkommando aus dem Gebäude, ebenfalls rückwärts vorbei an einem Toten. Ein kleiner filmischer Trick, es wird zurückgespult an den Anfang der Geschichte, an dem es in Wahrheit schon nicht mehr viel Hoffnung gab, es aber noch ein bisschen danach aussah.

"Nachtdienst" ist der erste der letzten Filme mit Matthias Brandt als Polizeiruf -Ermittler, der Schauspieler hat vor wenigen Monaten seinen Abschied angekündigt, was für ihn selbst ziemlich sicher eine bessere Nachricht ist als für den Bayerischen Rundfunk. Wie viele Episoden er noch für die Reihe machen wird, ist unklar. Ein weiterer Film jedenfalls wurde bis vor wenigen Wochen gedreht.

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"Nachtdienst" (Buch: Ariela Bogenberger und Astrid Ströher, Regie: Rainer Kaufmann) ist ein unüblicher Film für die Figur Hanns von Meuffels, dessen Fälle sonst immer ohne eine gesellschaftspolitische Agenda auskamen; sie verwoben immer wirklich außergewöhnliche Figuren und deren Geschichten sehr elegant mit dem kaum greifbaren Ermittler; es entstanden ein paar kleine (und seltene) deutsche Fernsehkunstwerke. "Nachtdienst" aber ist in erster Linie ein Film über den deutschen Pflegenotstand.

Meuffels ist als einziger Gerechter um Aufklärung bemüht

Das Anstoßen von gesellschaftlichen Debatten ist nun normalerweise eher die Kerndisziplin des Tatorts aus Köln, aber so volkshochschulhaft wie dort geht es in diesem Polizeiruf nicht zu. Meuffels lernt - neun Stunden vor dem zu Beginn des Films vorweggenommenen Finale - eine alte Dame kennen, die behauptet, in ihrem Seniorenstift sei ein Mann erschlagen worden. Elisabeth Strauß (Elisabeth Schwarz) ist dement, aber Meuffels geht trotzdem mit ihr mit.

Die Stärke des Films sind die Alltagsminiaturen, mit denen das Seniorenheim illustriert wird. Hanns von Meuffels betritt eine Welt, in der die Menschen keine Namen mehr an ihrer Tür haben, sondern eine Obstsorte; Elisabeth Strauß wohnt im Bananenzimmer. Aber auch diesem Film gelingt nicht ganz, das grundsätzliche Problem solcher Filme zu umgehen: das Problem mit der guten Botschaft. Während Meuffels als einziger Gerechter um Aufklärung bemüht ist, während er als Einziger einem sterbenden alten Mann die Hand hält, saufen sich die überforderten Pfleger den Dienst erträglich.

Ein deprimierender, fantastisch gespielter Film; aber auch ein kleines bisschen Banane.

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Polizeiruf 110 , ARD, Sonntag, 20.25 Uhr

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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