Süddeutsche Zeitung

Polizeiruf 110 aus Rostock: "Familiensache":Mord, Fläschchen, Mord

Ein Familienvater will im Rostocker "Polizeiruf" seine Familie und sich selbst umbringen. Harter Tobak - vor allem für Kommissar Bukow, der zusätzlich zu diesem Drama noch ein ganz persönliches erlebt.

Von Carolin Gasteiger

Wenn die bunten Lichter im Wohnwagen leuchten, muss der Zuschauer durchatmen, mehrmals. Der Kloß im Hals sitzt tief und fest am Ende dieses Rostocker Polizeirufs.

"Familiensache" ist ein Familiendrama. Und selten wurde in ein Drama so viel gepackt wie hier. "Papa, bitte, sei nicht so böse! Ich hab dich lieb, Papa! Ich wollte nicht mit Franz sein, ich will mit dir sein." Als der weinende Jonas seinen Vater anfleht, weiß er nicht, dass die Hoffnung längst tot ist. Der Vater, Arne Kreuz, verzweifelt und verschuldet, hat das Schicksal seiner Familie beschlossen.

Liebevolle Gelassenheit, völliger Wahnsinn

Andreas Schmidt spielt diesen Vater und wechselt seine Mimik gekonnt: mal liebevolle Gelassenheit, im nächsten Moment völliger Wahnsinn. Dazu ein taumelnder Gang. "Man erlebt einen Abgrund, der furchtbar ist", sagt Schmidt über seine Rolle. Die schauspielerischen Qualen haben sich gelohnt: Seinen wirren Blick bekommt man nur schwer aus dem Kopf. Genauso wie die Frage, was wohl in einem Menschen vorgeht, der zwischen zwei Morden noch in aller Ruhe ein Fläschchen fürs Baby warm macht.

"Das Verhalten von Arne Kreuz ist nicht unangemessen", erklärt Profilerin König Kommissar Bukow. Da sind schon fünf Menschen tot.

Auch der Kommissar sieht in "Familiensache" seine Familie zerbrechen. Bukow erfährt von der Affäre, die seine Frau und Kollege Thielers in den vergangenen Fällen angefangen haben. Seine Reaktion? Keine Reaktion. Er bleibt ruhig und professionell. Seine Wut entlädt sich erst später. Peng.

Nick Tschiller ist sprachlos

Höchstes Lob findet Tatort-Kommissar Til Schweiger für den Rostocker Polizeiruf: "Anschauen! Es ist der spannendste Tatort/Polizeiruf des Jahres... grandiose Schauspieler, die einen vergessen lassen, dass hier gespielt wird, weil sie so authentisch sind...", schreibt der Schauspieler auf Facebook. "Nick Tschiller ist diesmal richtig sprachlos ...!!!"

Tatsächlich zeigt der Rostocker Polizeiruf einmal mehr, dass sich die ARD-Krimireihe nicht vor dem Tatort verstecken muss. Vor zwei Wochen das Tukur-Spektakel, nun dieses doppelte Drama. "Kennt man doch, oder? Hat man die Katastrophe vor sich und fragt sich, wo hat das alles angefangen?", sagt Profilerin König.

Um den Zuschauer nicht ratlos zurückzulassen, widmet sich Günther Jauch am Sonntagabend im Anschluss dem Thema erweiterter Suizid. Vielleicht lockert sich dann der Kloß im Hals.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr

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