Die Chefin ist tot, aber sonderlich traurig wirkt niemand aus der Belegschaft, im Gegenteil. "Natürlich hatte die Hoffer Feinde", sagt der Produktionsleiter (Sascha Alexander Gersak). "72 davon sind mir persönlich bekannt."
Die einzige, die der ermordeten Möbelfabrikantin nachtrauert, ist die Tierärztin. Claudia Hoffer war eine Hundenärrin. Ihr Kläffer namens Werfel, nach dem sie ihre Firma Hoffer & Werfel getauft hat, liegt tot neben ihr, notdürftig verscharrt auf einer Waldlichtung im Münchner Umland. Schnell gerät der Exmann der Toten, Peter Michael Brauer (Justus von Dohnányi), unter Verdacht. Sie hat ihn gedemütigt, er hat sich nicht gewehrt. Oder am Ende vielleicht doch?
"Kreise" ist der neunte Fall für Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) - und der erste Polizeiruf 110, den Christian Petzold geschrieben und inszeniert hat, sein erster Sonntagskrimi überhaupt. "Das war eine Entscheidung speziell für diesen Polizeiruf, für Matthias, für Meuffels", sagt Petzold. Der sei eine "fantastische Gestalt, die wie aus der Erinnerung kommt, aus den 70ern, aus der zersiedelten alten Bundesrepublik."
Petzold muss der Ermittlerfigur ihren Willen lassen - "Die ist widerständig"
Wenn einer der bekanntesten deutschen Autorenfilmer Lust auf eine Fernsehfigur bekommt, ist das nicht zuletzt ein Kompliment für den BR und Redakteurin Cornelia Ackers, die, ähnlich konsequent wie die Tatort-Redaktion vom HR, das Krimi-Genre von Fall zu Fall weiterentwickelt. Nach Regisseuren wie Dominik Graf, Hans Steinbichler und Jan Bonny dreht derzeit Marco Kreuzpaintner (Krabat, Coming In) den Film "Die Gedanken sind frei". Der Formatpflege der Redaktion wie auch dem Hauptdarsteller Brandt und den exzellenten Drehbüchern, darunter allein drei von Günter Schütter, ist es zu verdanken, dass dieser Hanns von Meuffels dem Zuschauer zwar von Film zu Film vertrauter wird, aber ein Restgeheimnis bewahrt. Er ist nicht so und so, sondern so, aber eben auch anders - je nach Situation, in die er von den Autoren geworfen wird.
Nach den aufwendigen historischen Produktionen Barbara und Phoenix habe er es genossen, beim Polizeiruf ein Gerüst vorzufinden, sagt Petzold. "In jedem Kinofilm muss ich eine Welt komplett neu errichten. Hier musste ich mich zu etwas, was es schon gibt, in Beziehung setzen und damit arbeiten." Dazu gehöre auch, der Ermittler-Figur ihren Willen zu lassen: "Die ist widerständig."
Es ist natürlich trotzdem ein Petzold-Film geworden - eine Studie über die Einsamkeit von Mittfünfzigern im Krimi-Gewand, über ihre Enttäuschungen und Sehnsüchte. In "Kreise" wird Meuffels unterstützt von der Hamburger Kollegin Constanze Hermann (Barbara Auer), die nach ihrer Alkohol-Entziehungskur einen Neuanfang sucht. Petzolds Handschrift ist unverkennbar: Ein Mann möchte sein verhunztes Leben hinter sich lassen, zwei Kommissare nähern sich an, um sich schließlich diese Nähe zu versagen. "Alle wollen ausbrechen aus ihren Kreisen, aus Mustern und Routinen", fasst Petzold zusammen, "scheitern aber an ihren Ängsten."