Süddeutsche Zeitung

Polizei-Serien in den USA:Freund und Helfer

Hollywood und Polizei führen seit mehr als 60 Jahren eine ganz besondere Beziehung. Nach der Tötung von George Floyd wird die US-Serie "Cops" abgesetzt. Über ein umstrittenes Genre.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Donald Trump seit mehr als einer Woche jeden Tag einen Eintrag bei Twitter schreibt, der aus nur zwei Wörtern besteht: "LAW & ORDER!" Der US-Präsident ruft damit zu Recht und Ordnung angesichts der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt auf - nur ist Law & Order eben auch der Titel einer TV-Sendung, die es seit fast 30 Jahren gibt. Im wenig jüngeren Ableger Law & Order: SVU spielt Ice-T einen Polizisten. Jener Rapper also, der mit der Heavy-Metal-Band Body Count einst das Lied "Cop Killer" veröffentlichte und nun auf Twitter den straßenkundigen Chefkritiker Trumps gibt.

Die Hauptfiguren in Law & Order sind Polizisten, wie häufig in amerikanischen Serien. Angesichts der aktuellen Entwicklungen nach der Tötung von George Floyd wird über das Genre nun heftig debattiert. Das Reality-Format Cops etwa steht seit Jahren im Verdacht, die Polizei zu glorifizieren. Die 33. Spielzeit wäre am 15. Juni losgegangen, doch nun hat der Kabelsender Paramount Network die Sendung abgesetzt. "Wir haben weder Pläne für die Gegenwart noch für die Zukunft", heißt es in einer Mitteilung. Und auch bei anderen Genres reagiert die Medienindustrie: Der Sender HBO Max entfernte den Filmklassiker Vom Winde verweht vorläufig aus dem Programm, weil er "fragwürdige ethnische und rassistische Vorurteile" abbilde.

Hollywood und Polizei aber führen seit mehr als 60 Jahren eine ganz besondere Beziehung. In den Anfängen gehörte für die Unterhaltungsbranche dazu auch, die Stars nach Fehltritten freizupauken, oder Drehgenehmigungen für öffentliche Orte leichter zu bekommen. Im Gegenzug wurden Polizisten positiv gezeigt, manche Produzenten ließen, bei der 60er-Jahre-Serie Dragnet zum Beispiel, ihre Drehbücher von der Polizei absegnen. Mittlerweile, das zeigte eine Studie der Marktforschungsfirma Nielsen, sind die drei erfolgreichsten Dramaserien in diesem Genre angesiedelt, nämlich Navy CIS, FBI und Blue Bloods.

Die typische amerikanische Polizeiserie folgt meist demselben Schema: Es gibt ein Verbrechen, das bis zum Ende einer Episode oder einer Spielzeit aufgeklärt wird. Polizisten müssen keine Engel sein, sie brechen auch mal die Regeln - meist aber, damit sie am Ende den Bösewicht fassen und ein mögliches Opfer retten. Es gibt zahlreiche Studien zu diesen Serien, ein paar Auffälligkeiten: Opfer sind überproportional häufig hellhäutige Frauen, Täter sehr häufig dunkelhäutig oder Ausländer. Beliebte Herkunftsregionen: der Mittlere Osten, China, Nordkorea und, ja, Deutschland.

Natürlich gibt es auch fantastische Cop-Serien, The Wire zum Beispiel über die Straßen von Baltimore oder die Sitcom Brooklyn Nine-Nine, die mit zahlreichen Stereotypen bricht. Es gibt aber eben auch Werke wie Blue Bloods, die wirken wie Propaganda der Polizei. Ein Beispiel: In einer Folge stürzt sich ein Afroamerikaner aus einem Fenster, um Polizeigewalt vorzutäuschen.

Und es gab Cops. Die Serie lief zunächst 25 Jahre lang auf dem frei empfangbaren Sender Fox - und unterschied sich von anderen Serien dadurch, dass sie kein Drehbuch hatte. Das Reality-Fomrat sollte, so wurde es zumindest vermarktet, den tatsächlichen Alltag von Polizisten ungefiltert zeigen. Die Perspektive der Serie ist allerdings so ausgelegt, dass die Kamera stets den Beamten über die Schulter schaut. Sie rechtfertigen ihre Handlungen, es gibt keinen Zweifel daran, wer der Bösewicht ist. Die Zuschauer befinden sich also schon allein durch die Struktur der Serie auf der Seite der Polizisten. Bereits 2005 kam heraus, dass die Polizei die einzelnen Folgen vor der Ausstrahlung überprüfte - und dass sie die Serie jungen Leuten zeigte, um sie für den Polizeidienst zu begeistern.

2013 forderte die Bürgerrechtsbewegung Color of Change, die Serie abzusetzen - zunächst mit Erfolg: Fox verlängerte den Vertrag im März 2013 nicht. Doch nur zwei Monate später übernahm der zum Paramount Network gehörende Sender Spike TV die Lizenz. Die Einschaltquoten allerdings waren ernüchternd, zuletzt sahen nur noch 470 000 Menschen pro Folge zu. "Es ist die richtige Entscheidung, aber wir brauchen noch mehr dieser Entscheidungen", sagte Color-of-Change-Manager Rashad Robinson der New York Times angesichts des Endes von Cops. "Viele dieser Sendungen gehören zur PR-Abteilung der Polizei."

Law & Order: SVU dagegen wird immer wieder dafür gelobt, bei aller Überhöhung den Alltag von Polizisten angemessen darzustellen. Mittlerweile gibt es 478 Folgen und damit so viele wie von wenig anderen Primetime-Serien. Vor schwierigen Themen schreckt das Format nicht zurück. Genau darauf weisen zahlreiche Twitter-Nutzer den US-Präsidenten hin, wenn er wieder mal schreibt: "LAW & ORDER!"

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SZ vom 12.06.2020/cag
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