Rundfunkbeitrag und Satire-Video:Heikle Verknüpfung

Schulze verteidigt Entscheidung zu umstrittenem Politiker Möritz

Volle Unterstützung seiner Partei: Sven Schulze, Generalsekretär der CDU in Sachsen-Anhalt.

(Foto: Peter Förster/dpa)

Die Debatte um ein umstrittenes Satire-Video greift auf die geplante Beitragserhöhung für ARD und ZDF über. Verfassungsrechtlich ist das fragwürdig.

Von Claudia Tieschky

Im Zusammenhang mit einem Video des Jugendangebots Funk von ARD und ZDF haben Unionspolitiker dafür plädiert, die anstehende Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu stoppen. Das als Satire erkennbare Video "Racial Profiling" des Komikers und Moderators Aurel Mertz zeigt, wie zwei dümmliche Polizisten einen dunkelhäutigen jungen Mann, der eigentlich bloß sein eigenes Fahrrad aufsperren will, verdächtigen, ein Dieb zu sein. Nachdem sie seine Hautfarbe mit einer Farbskala verglichen und so ermittelt haben, dass er zu wenig dunkelhäutig für einen Drogendealer ist, wird der junge Mann von einem Scharfschützen erschossen. Als sich herausstellt, dass der Tote einen deutschen Pass besitzt und weiße Tennissocken trägt, sind die Beamten bestürzt.

Der Generalsekretär der CDU in Sachsen-Anhalt Sven Schulze erklärte am Mittwoch via Twitter: "Dieses Video, finanziert mit Gebührengeldern von #ARD& #ZDF, ist ein Schlag ins Gesicht aller #Polizisten in #Deutschland. Nicht nur deshalb ist es richtig, daß die geplante Erhöhung des #Rundfunkbeitrags nicht kommen wird. Die #CDU in #SachsenAnhalt wird das verhindern. #GEZ". Die Öffentlich-Rechtlichen seien zwar unverzichtbar, aber er sei "immer wieder negativ überrascht was mit den #Gebührengeldern finanziert wird".

Das Video ist seit Mitte Juli online, die Debatte darüber wird seit dieser Woche verschärft vor allem von Kritikern aus der Union geführt. Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul sprach von menschenverachtender Darstellung der Polizei, auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl und Innenexperte Christoph de Vries, beide CDU, kritisierten den Clip. Dessen Schöpfer Aurel Mertz erklärte, es gehe nicht darum, die gesamte Polizei unter Generalverdacht zu stellen, man müsse aber angesichts von Polizeigewalt "den Finger in die Wunde legen".

Medienrechtler: Koppelung der Zustimmung an inhaltliche Kriterien erst recht fragwürdig

Während sich die ARD auf Anfrage nicht äußert, teilt das ZDF mit: "Der satirische Clip Racial Profiling thematisiert Erfahrungen von Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden. Der Clip ist in seiner Überspitzung und Darstellung eindeutig als Satire erkennbar."

Diesen Mittwoch dann bekam die Debatte eine neue Richtung. Auch der CSU-Politiker Stefan Müller, einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, führte das Video als Argument gegen eine Beitragserhöhung an. Die CDU Sachsen-Anhalt habe seine "volle Unterstützung, die Erhöhung des #Rundfunkbeitrages zu stoppen. Nicht nur am Polizei-Video von Funk, sondern an vielen Punkten zeigt sich: ARD und ZDF brauchen eine grundlegende Reform und nicht noch mehr Gebührengelder!" Unterstützung erhielt Schulze auch vom medienpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Markus Kurze. Der Journalistenverband DJV sprach dagegen von einem "Zensurversuch", man wolle "von ARD und ZDF politisches Wohlverhalten durch finanziellen Druck erzwingen".

Hintergrund ist die von den Ministerpräsidenten bereits im Juni beschlossene Beitragserhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Unterzeichnet hat auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, CDU, der allerdings deutlich machte, dass es für die Erhöhung derzeit keine Mehrheit in seinem Landtag gibt. Das ist heikel, denn der entsprechende Staatsvertrag muss von den Landesparlamenten bis Ende des Jahres ratifiziert werden, damit er in Kraft treten kann.

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten KEF, deren Experten in einem staatsfernen Verfahren die angemessene Finanzierung für den Rundfunk ermitteln, hat für Anfang 2021 eine Beitragserhöhung von 17,50 Euro um 86 Cent auf dann 18,36 Euro empfohlen. Dem müssen alle 16 Landtage zustimmen. Mehrheiten in den Ländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sind ungewiss, die Verantwortlichen von ARD und ZDF hatten zuletzt in den dortigen Parlamenten intensiv für sich geworben. So intensiv, dass die Ansiedlung der neuen Kulturplattform in Sachsen-Anhalt vom BR nicht mitgetragen wurde: Sie lasse sich als Deal für die Beitragserhöhung verstehen.

Eine Koppelung der Zustimmung an inhaltliche Kriterien wäre allerdings erst recht fragwürdig. Karl-E. Hain, Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht an der Universität zu Köln, erläutert: Verfassungsrechtlich dürften die Öffentlich-Rechtlichen vor dem Hintergrund der Rundfunkfreiheit und der notwendigen Staatsferne des Rundfunks "nicht mit dem Mittel der Finanzierung für kritische Beiträge abgestraft werden". Für die Kontrolle der Einhaltung der Programmgrundsätze im Hinblick auf Programminhalte sind in erster Linie die Rundfunkräte zuständig. Medienpolitische Anliegen "wie die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" dürften nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mit Finanzierungsfragen kurzgeschlossen werden.

Auch in Rheinland-Pfalz, dem Vorsitzland der für die Rundfunkgesetze zuständigen Länderkommission, ist man offenbar irritiert. Heike Raab, die zuständige Staatssekretärin von der SPD, die für die Beitragserhöhung wirbt, teilt auf Anfrage mit: Die Polizei habe Rückendeckung der Regierung und dürfe nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Der Satire aber seien "bewusst weite Grenzen gesetzt, da sie provozieren und aufrütteln soll". Wann Grenzen überschritten werden, sollten "Gerichte, nicht Regierungen" entscheiden. Unabhängig davon, schreibt Raab in einem Statement weiter, "empfehle ich persönlich, inhaltliche Kritik an einem Satire-Video nicht mit der Beitragsanpassung und damit mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu koppeln". Das sei unvereinbar mit Rundfunkfreiheit und Staatsferne. "Es darf nicht sein, dass über die Finanzierung Einfluss auf Programminhalte genommen werden soll."

CDU-Mann Sven Schulze erklärt auf Anfrage, das auch gar nicht gemeint zu haben. Die Aussage der CDU-Landtagsfraktion, keiner Beitragserhöhung zuzustimmen, sei nicht an inhaltliche Forderungen an den Rundfunk geknüpft. Sie stehe in Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag von 2016 und sei seit Langem bekannt. Schulze sagte der SZ, er habe "nicht das Recht, mich in die Programmverantwortung einzumischen". Es sei nicht seine Intention vorzuschreiben, was gemacht werden solle und was nicht - "aber ich wollte eine Debatte darüber anregen, ob solche Beiträge mit Gebührengeld finanziert werden sollen oder nicht". Er bekomme dafür nun positives Feedback aus ganz Deutschland.

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Nie zuvor waren die Öffentlich-Rechtlichen derart gezwungen, sich ihrem Publikum zu erklären. Es tut ihnen gut. Ein Tweet des CDU-Politikers Sven Schulze geht nun zu weit - denn Geld für den Rundfunk darf nicht an inhaltliche Vorgaben geknüpft werden.

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