Politik und Entertainment:Ein Abend mit chilenischem Barsch

Clinton-Wähler lesen die Zeitschrift "Vanity Fair", Sanders-Wähler bevorzugen den "Rolling Stone": Was man in der bunten Unterhaltungsindustrie Hollywoods über die Demokraten lernen kann.

Von Anne Philippi

Wen liebt Hollywood mehr? Hillary Clinton oder Bernie Sanders? Derzeit, so muss man vermuten, ist es Hillary. Die New York Times jedenfalls schrieb kürzlich, Clintons Anhängerschaft unter Prominenten sei das Equivalent zu einer glamourösen Einladungsliste für die Oscar-Party der Zeitschrift Vanity Fair. Sanders dagegen, so die These, hat in den vergangenen Monaten einen neuen Wählertyp sichtbar werden lassen, der zum Rolling Stone greift, immer noch Bibel für eine Anti-Haltung durch Rockmusik und Entertainment.

Der Vorwahlkampf der Demokraten spaltet Hollywood, seine Protagonisten - und die Leser von Hollywoodgeschichten. Der Rolling-Stone-Leser ist im Schnitt 35,3 Jahre alt und eher männlich, während die Leserschaft von Vanity Fair zwischen 25 und 55 liegt und zu 78 Prozent weiblich ist. Kämpft bei den Demokraten also gerade weiblicher Glamour gegen eine männliche Indie-Rock-Magazin-Linke? Der "Bernie-Bro" (so wird der barttragende, möglicherweise als Barista jobbende, mögliche Rolling-Stone-Leser und Sanders-Fan genannt) steht für eine immer noch gültige Gegenkultur, während die Leserschaft von Vanity Fair eher zu einer Welt des alten Geldes gehört, die Familiengeschirr besitzt. Anders gesagt: Würde der Bernie Bro eine vierseitige Geschichte über die Corgis der Queen lesen? Eher nicht.

Vieles spricht dafür, dass Hillary Clinton diesen Kampf gewinnen wird. Auch, weil ihr Powerplayer folgen und Hollywood-A-Promis, 80 Prozent des Entertainment-Establishments - weil sie Demokratin ist und eine Frau. Da kann Bret Easton Ellis übrigens noch so sehr behaupten, in Hollywood gäbe es eine Menge heimlicher Trump-Fans, die diesen gern als Präsident sähen: Hollywood ist ein Staat im Staat, monatlich in Vanity Fair abgebildet. Einer, der mit republikanischen Werten nie harmonieren wird: Hier gibt es hohe Scheidungsraten, Kinder ohne Ehe, schwule Ehe, Abtreibungen, Sex vor der Ehe.

353 400 Dollar pro Paar kostet ein Essen bei Familie Clooney

Hillarys Hollywood-Crew lebt in dieser für Amerika sehr libertären Welt und liest sich wie eine Ansammlung von Porträts in Vanity-Fair-Ausgaben der vergangenen Jahre. Pro Hillary sind Popsängerin Katy Perry, die jungen Frauen erklärt, Hillary zu wählen, sei die wichtigste Wahl ihres Lebens. Pokerfreund Tobey Maguire erspielt auf Abenden mit seinen Kumpels (unter anderen Leonardo Di Caprio) Geld für Clinton; Film-Player Harvey Weinstein, Haushaltsqueen Martha Stewart, Comedian Amy Schumer sprechen sich für Clinton aus; Produzent Jeffrey Katzenberg hat mit Steven Spielberg bereits eine Million Dollar für sie zusammengetragen. Und es war erst vor ein paar Tagen, als Titelgesicht George Clooney für Clinton das bisher teuerste Fundraising-Dinner in seinem Haus in Studio City gab: Jedes Paar musste 353 400 Dollar hinlegen, um teilzunehmen.

Vor Clooney Haus demonstrierten Bernie-Freunde, und Sanders selbst ließ ausrichten, man begebe sich hier auf den Weg in eine amerikanische Oligarchie. Der gesammelte Betrag sei "obszön". Clooney jedenfalls schaffte es, beim Dinner echte Oscar-Party-Atmosphäre zu schaffen. Auf Instagram konnte man die üblichen drei Sorten Brot auf dem Vorspeisenteller betrachten, unberührt. Das Brotverbot bleibt auf Hollywood-Dinnern weiterhin bestehen, und wenn das Brot nicht angerührt wird, weiß man, es handelt sich um A-List-Esser, die Steak und den chilenischen Barsch bevorzugen, den es bei Clooneys zu essen gibt. Jane Fonda und Ellen DeGeneres wussten das zu schätzen.

Die Prominenten im Team Sanders würden eher nicht auf Vanity-Fair-Partys eingeladen. Sie sind alle kritische Individualisten, Idole des Amerikaners, der in Rockbands immer noch eine linke Partei sehen könnte. Für Team Sanders spielen derzeit Hardcore-Comedienne Sarah Silverman, Regisseur Spike Lee, der wie der Kandidat aus Brooklyn stammt, oder Schauspielerin Gaby Hoffmann (Girls), eine etwas schrägere Hipster-Braut. Und da wäre Cornel West, schwarzer Yvy-League-Professor und Intellektueller, der sich mit Sanders kürzlich im Rolling Stone unterhielt.

So scheint Sanders alle zu versammeln, die nicht an Glitzer interessiert sind. Er punktet vor allem bei Arbeitern im Silicon Valley, vor allem bei denen, die für die größten fünf Firmen wie Google und Facebook arbeiten. Sanders sammelte um die 105 000 Dollar von Tech-Arbeitern.

Diese Generation fühlt sich in den USA gerade als Outsider und flirtet mit sozialistischen Ideen. Die Red Hot Chili Peppers traten in Downtown Los Angeles für knapp 50 Dollar auf. Für Bernie Sanders. An diesem Abend war nichts luxuriös, aber alles lässig, ja freundlich. Vielleicht waren Rock-Konzerte so in den Siebzigerjahren, zu der Zeit, als der Rolling Stone entstand und das Land sich bewegte, in eine neue Richtung. Die International New York Times behauptete neulich, diese Wahl sei die wichtigste seit 1968, und selbst wenn Clintons Glamourwelt gewinnt: Sanders hat Dinge losgetreten - ein neues Bewusstsein für ein Land, wo mittlerweile selbstverständlich Worte wie Anti-Kapitalismus in den Mund genommen werden, obwohl das Land auf dem Gegenteil basiert. Auch der Rolling Stone entstand, weil man einen American Dream hinterfragte, und brachte Granaten wie Hunter S. Thompson hervor. Der wäre wahrscheinlich von jeder Vanity-Fair-Party der Welt geflogen.

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