Politik im US-TV:Lord wurde so ernst genommen wie Trump selbst

Wie auch immer: Seit 2015 ist Lord bei CNN. Er war während der Vorwahlen eine komödiantische Auflockerung zwischen den wirklichen Debatten, er wurde so ernst genommen wie Trump selbst. "Ich wusste von Anfang an, dass Trump gewinnen könnte", sagte Lord kürzlich. Trump wurde Kandidat. Er wurde Präsident. Kürzlich verbreitete er auf Twitter ein Video, in dem er einen Mann vermöbelt, auf dessen Hals das CNN-Logo montiert war. Die amerikanische Politik erinnert derzeit auch sehr oft ans Catchen, die Zeitungen Washington Post und New York Times liefern sich einen fantastischen Wettstreit darum, diese Präsidentschaft kritisch zu begleiten. Das behaupten sie bei CNN freilich auch, und wahrscheinlich waren sie bei aller Empörung über den möglichen Aufruf zur Gewalt gegen Journalisten (Lord dazu: "Meinungsfreiheit gilt auch für den Präsidenten.") trotzdem auch ziemlich stolz auf das heftig kritisierte Wrestling-Video. Wer von Trump als "Fake News" geadelt wird, der darf sich über steigende Zuschauerzahlen freuen. Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass das wichtiger ist als eine ernsthafte Debatte über den Zustand des Landes.

Die Rolle als Prügelknabe lässt Lord sich gut bezahlen. Sein Vertrag wurde gerade verlängert

CNN-Geschäftsführer Jeffrey Zucker, der als Manager beim Sender NBC einst Trump für die Reality-Show The Apprentice verpflichtete, nennt die Teilnehmer an den Diskussionen "Charaktere in einem Drama". Der Sender beschäftigt insgesamt ein Dutzend Trump-Anhänger, Lord ist der bekannteste von ihnen. Und seine Rolle als ewiger Prügelknabe des Trump-kritischen TV-Kanals lässt er sich recht ordentlich bezahlen. Der Sender, der in diesem Jahr einen Gewinn von mehr als einer Milliarde Dollar erwirtschaften dürfte, hat den Vertrag mit Lord verlängert. Das Gehalt ist zwar geheim, aus dem Umfeld des Senders ist jedoch zu hören, dass er in diesem Jahr mindestens 100 000 Dollar bekommen soll, einige sprechen gar von bis zu 200 000 Dollar.

Vor ein paar Monaten übrigens hat Donald Trump während einer Rede auf seinen TV-Deuter Jeffrey Lord gezeigt, der in der ersten Reihe saß: "Oh, er kämpft so tapfer", sagte der US-Präsident.

Es geht bei den Gesprächen mit Lord und den anderen Trump-Experten weniger um Information als um die Botschaft, dass die tüchtigen CNN-Journalisten den Tölpel von der rechten Seite mal wieder streng angegangen sind. Manchmal werden die Aussagen von Lord selbst zu News stilisiert, über den Vergleich zwischen Donald Trump und Martin Luther King etwa wurde später in zwei Sendungen zur besten Sendezeit debattiert.

Beim Konkurrenten Fox News läuft es ähnlich, Moderator Tucker Carlson hatte vergangene Woche den Proficatcher Daniel Harnsberger im Studio, der sich den Künstlernamen "Progressive Liberal" gegeben hat und in den als "Trumpland" bekannten Bundesstaaten Kentucky und Virginia für Aufsehen sorgt. Carlson stellt Harnsberger nur vordergründig Fragen, in Wirklichkeit will er seine Meinung loswerden: "Ein Linksliberaler - das ist die furchterregendste Figur, die man sich vorstellen kann." Was man sich auch gut vorstellen kann: Wie die Trump-Fans vor dem Fernseher johlen.

Um Fakten geht es ohnehin schon lange nicht mehr. Die präsentiert Trump seiner Meinung nach höchstselbst bei Twitter ("Der einzige Weg für mich, die Wahrheit zu verbreiten.") und nun auch in einer wöchentlichen Nachrichtensendung auf Facebook, die von Trumps Wiederwahl-Komitee finanziert wird. Da liest jemand Pressemitteilungen vor, bejubelt den Präsidenten und lässt Informationen wie die Abstimmung des Senats gegen die Gesundheitsreform und den Rausschmiss von Kommunikationschef Anthony Scaramucci lieber mal weg.

Die Moderatorinnen der ersten beiden Folgen dieser Propaganda, die das Trump-Lager freilich "Real News" nennt: Trumps Schwiegertochter Lara und Kayleigh McEnany, die nun Sprecherin der Republikaner wird. Ihre Anstellung als Trump-freundliche Prügelfrau bei CNN hat sie für den neuen Job gekündigt.

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