Ging jetzt doch ganz schnell: Der Axel-Springer-Konzern hat nach turbulenten Tagen den größten Kauf seiner Firmengeschichte abgeschlossen, die US-Mediengruppe Politico gehört nun dem Berliner Konzern. Politico ist ein Unternehmen, das seit 2007 vor allem für die gleichnamige Nachrichtenportal bekannt ist und das seine politische Berichterstattung in und über Washington auch in einer recht kleinen Druckauflage von 40 000 Stück als Zeitung vertreibt. Bis zu eine Milliarde Dollar soll Springer laut Branchenberichten für die Mediengruppe bezahlt haben. Was macht das Unternehmen so wertvoll?
Erstens erwirtschaftet Politico einen Großteil seines Erfolgs mit 2500 Newslettern, die aus den Redaktionen vor allem an Lobbyorganisationen und politische Institutionen verschickt werden. Zweitens sind die 3000 Geschichten, die nach eigenen Angaben im Monat dort entstehen, nicht nur unterhaltsam (der Newsletter "West Wing Playbook" zum Beispiel mischt mit großem Erfolg politische Berichterstattung und Klatsch aus dem Weißen Haus), sondern oft auch exklusiv. Auf die Frage, wie die Redaktionen das hinbekommen, hat Shéhérazade Semsar-de Boisséson, bis Juni lange Jahre Europa-Chefin von Politico, einmal eine bestechend simple Erklärung formuliert: "Wir haben die Scoops, weil wir eine Menge Leute vor Ort haben."
In der deutschen Verlegerlandschaft vermutet man, dass Springers Machtzuwachs in den USA auch kritisch gesehen wird
700 Leute arbeiten für das Medienhaus in den USA. Noch mal 200 beim europäischen Ableger, den Politico-Gründer Robert Allbritton 2014 mit dem Springer-Konzern gemeinsam aufgebaut hat. Allein in Brüssel hat Semsar-de Boisséson nach eigenen Angaben 60 Journalisten vor Ort. Dass ein solcher Zukauf interessant ist für Springer, zu dem auch Welt und Bild gehören, liegt auf der Hand. Vorstand Mathias Döpfner hat immer wieder betont, dass er in dem Unternehmen ein Exempel für digitalen Journalismus sieht.
Nun hatte es sehr knapp vorher so ausgesehen, als könnte der Deal doch noch platzen. Einen Tag vor Abschluss veröffentlichte die New York Times einen ausführlichen Artikel, der von den Missständen beim Springer-Blatt Bild und den Vorwürfen gegen den inzwischen freigestellten Chefredakteur Julian Reichelt erzählt, vom Machtmissbrauch, von Affären, gefälschten Scheidungspapieren und dubiose Zahlungen sowie dem "sneaky" Vorgehen des Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner. Alles schwer vereinbar mit den Compliance-Standards in den USA.
Mit dem Kauf von Politico wächst der Einfluss des Springer-Konzerns in der Medienlandschaft der USA. Das Nachrichtenportal Business Insider und die Newsletterfirma Morning Brew gehören schon zum amerikanischen Springer-Sortiment. In der deutschen Verlegerschaft wird vermutet, dass man in den USA wenig begeistert ist vom medialen Machtzuwachs von Springer und dass der kurz vor dem Politico-Kaufabschluss veröffentlichter Artikel in der New York Times womöglich kein Zufall sei. Konsequenzen hatte er jedoch nicht für den Kaufabschluss.
Springer teilte am Dienstag in Berlin mit: "Die Transaktion wurde nach Erhalt aller erforderlichen behördlichen Genehmigungen und gemäß den Bedingungen der bereits am 26. August 2021 angekündigten Vereinbarung erfolgreich abgeschlossen." Als wäre nichts gewesen.