Pokalfeier-Eklat:Der Zuschauer sieht, was ihn der FC Bayern sehen lässt

Münchens Meister-Klub sendet ein klares Signal an die Medien: Wir brauchen euch nicht. Die Macht der Vereine behindert die Arbeit von Sportjournalisten.

Analyse von Ralf Wiegand

Nicht jeder liebt den FC Bayern München. Trotz aller Abneigung der erfolgreichste, größte und wohlhabendste Verein in Deutschland geworden und geblieben zu sein, weil man den Neid der anderen stets als Treibstoff nutzt - das war schon immer die Legende dieser Bayern. Oliver Kahn, der Monolith im Tor, an dem in fremden Stadien früher Bananen und Golfbälle abprallten, hat das einmal so zusammengefasst: "Das ganze Stadion wird gegen uns sein. Bis auf die Bayern-Fans wird ganz Deutschland gegen uns sein. Was Schöneres gibt es nicht!"

Gewöhnlich kommen die Gegner, sofern sie nicht Anhänger des Lokalrivalen TSV 1860 München sind, aber nicht aus der eigenen Stadt. Doch jetzt ist der FC Bayern sozusagen in seinem Wohnzimmer ins Kreuzfeuer geraten, im Münchner Rathaus, auf dessen Balkon er Jahr für Jahr seine sportlichen Titel feiert. Und Jahr für Jahr hat das Bayerische Rundfunk übertragen - bis auf den vergangenen Sonntag. Weil die Bayern von dem öffentlich-rechtlichen Sender eine Beteiligung an den ihnen wiederum von der Stadt München in Rechnung gestellten Kosten verlangte, verzichtete der BR auf eine Übertragung der Feierlichkeiten anlässlich des Pokaltriumphs von Berlin.

Nun diskutiert die Lokalpolitik, ob der FC Bayern seine Kompetenzen überschritten hat - und wie "kleingeistig" die Forderung des Klubs gegenüber dem BR war (siehe Lokalteil dieser Ausgabe). Auf den ersten Blick ist es eine Münchner Posse zwischen Rathaus, Rundfunkplatz - wo der BR residiert - und Säbener Straße, dem Hauptquartier des FC Bayern. Tatsächlich aber weist die Tatsache, dass es trotz der Weigerung des Bayerischen Rundfunks dennoch Live-Bilder der Pokalparty gab, über München hinaus. Der FC Bayern hatte das Material selbst produziert, selbst vertrieben und darüber hinaus einem anderen Sender (Sport 1) kostenlos überlassen. Der Klub hat damit nicht nur ein Sendesignal zur Verfügung gestellt, sondern ein Signal an die Medien gesendet: Wir brauchen euch nicht unbedingt.

Die Reaktionen aber laufen aus dem Ruder. Denn bei aller sportlichen Unersättlichkeit, von der ratlosen Konkurrenz längst schicksalsergeben als "Bayern-Gen" definiert, versteht sich die FC Bayern München AG auch als soziales Gebilde, als emotionales Becken für eine Menge kleiner Fische. Angesichts von mehr als 270 000 Vereinsmitgliedern, 322 000 in über 4000 Fanklubs organisierten Anhängern und nach verschiedenen Erhebungen bis zu zehn Millionen nicht organisierter Fans bundesweit, muss der FCB groß sein, ohne die Kleinen zu vergessen. Immer dann, wenn es zu Rissen an dieser Nahtstelle zwischen Konzern und Sportverein kommt, wenn es etwa um Eintrittspreise, Ultra-Fans oder Geheimtraining geht, muss der FC Bayern besonders auf sein Image achten. Nur nicht abheben.

Jetzt gerade fühlt sich der Verein daher missverstanden. Durch die Absage der Pokal-Feier-Übertragung im bayerischen Dritten wegen einer nicht näher definierten "kurzfristigen finanziellen Forderung" des FC Bayern (BR-Pressemitteilung) war der Eindruck entstanden, die Bayern würden Geld dafür verlangen, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender die sehr öffentliche Titel-Sause an einem der öffentlichsten Orte Münchens überhaupt übertragen darf.

Für all jene, die den Klub gerne mal zum FC Buy€rn verballhornen, der mit Geld die Welt regiert, war das Wasser auf die Mühlen. Auch einigen Fans ist ihr Herzensklub zu weit gegangen: "Das war's für mich als Vereinsmitglied", schrieb etwa der Schriftsteller Friedrich Ani bei Facebook und postete einen bissigen SZ-Kommentar zum Thema. Die Ankündigung, dass das Fest dennoch in Ausschnitten live im Free-TV-Sender Sport 1 und auf den vereinseigenen Plattformen zu sehen sein würde, hatten die Bayern erst mit Schlusspfiff in Berlin in sozialen Medien, über die Homepage und via Sport 1 mitgeteilt - ohne freilich Hintergründe zur Programmänderung im BR zu erwähnen.

Im Grunde ist das PR-Material

Tatsächlich wollte der FC Bayern kein Geld an der Feier verdienen, er wollte nur so wenig wie möglich bezahlen. Sowohl der Verein als auch der BR bestätigten, dass die Stadt München von den Bayern 300 000 Euro verlangt hatte, als Beteiligung an den vor allem für Sicherheit anfallende Kosten für die bereits zweite öffentliche Weißbierorgie innerhalb einer Woche. Die Hälfte, 150 000 Euro, wollten die Bayern vom Sender haben.

Nach dem Gewinn der historischen vierten Meisterschaft nacheinander waren die Bayern schon in der Woche zuvor auf den Balkon geklettert, wie immer hatte die Kosten die gastgebende Stadt übernommen, der BR übertragen. Wie immer hatten alle was davon: der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter die schönen Bilder, der BR die Quote und die Bayern Material fürs Vereinsarchiv. Früher hätte man über den Punkt der Kostenbeteiligung wahrscheinlich das Wochenende über weiter verhandelt.

Heute aber hat der FC Bayern andere Möglichkeiten. Die Medienabteilung des Vereins ist längt in der Lage, eigene Bilder zu produzieren. So machen das auch die internationalen Verbände, Fifa und Uefa stellen das Sendesignal von Welt- und Europameisterschaften längst selbst her, die übertragenden Sender übernehmen es. Sie zahlen dafür viel Geld, können aber den eigenen technischen Aufwand klein halten. Gezeigt wird allerdings nur, was der Verband will. Randale auf den Rängen, Flitzer auf dem Spielfeld oder kritische Plakate: So etwas sieht der TV-Zuschauer eher nicht. Auch der FC Bayern produziert und vertreibt seine eigenen Bilder, über fcb.tv. Das Material verbreitet er etwa über die eigene Homepage, via Facebook oder einen eigenen Kanal bei Youtube. Auch Fernsehsender können die Dienste des Klubs in Anspruch nehmen, Sport 1 filmte die Pokal-Feier auf dem Marienplatz nicht selbst, sondern übernahm die Bayern-Bewegtbilder made by Bayern.

Ausschnitte liefen in der Tagesschau, im ZDF und auch im BR. Im Grunde war das: PR-Material. Der FC Bayern ist inzwischen eine Medien-Macht, die einen unschätzbaren Vorteil für sich nutzt: Den exklusivsten Zugang zum FC Bayern hat der FC Bayern selbst. Er liegt damit im Trend der Bundesliga, die an vielen Standorten darum bemüht ist, Bilder und Nachrichten nicht mehr der sofortigen kritischen Prüfung von Journalisten zu überlassen, sondern selbst zu verbreiten - fertig verpackt und dekoriert. So kreieren vereinsinterne Nachrichtenkanäle News zu Spielertransfers, Sponsorenabschlüssen oder Verletzten-Bulletins selbst und exklusiv, bevor andere Medien informiert werden - die dann Stimmen dazu oft von den Nachrichtenportalen der Vereine abschreiben müssen. Der Zugang zu Vereins-Banketten, Mannschaftshotels oder Flugzeugen, mit denen die Spieler unterwegs sind - früher üblich - sind weitgehend abgeschafft worden. Bilder aus jenen Räumen, in denen die Protagonisten des Fußballs noch einigermaßen authentisch sein dürften, vertreiben viele Vereine ebenfalls exklusiv. Sie bestimmen damit das Gesamtbild, das entstehen soll.

Der BR hat schließlich auch darauf verzichtet, das Rathaus von Ferne abzufilmen, ohne einen eigenen Reporter auf dem Balkon zu haben - das wäre möglich gewesen, auch ohne die Forderung des FC Bayern nach Kostenbeteiligung zu erfüllen. Der durfte diesmal unter sich bleiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: