Podcasts des Monats:Das sind die Podcast-Tipps im September

Podcasts des Monats: Was man im September am besten hört - die Podcasts des Monats.

Was man im September am besten hört - die Podcasts des Monats.

(Foto: SZ)

Musiker sezieren ihre Songs, verblüffende Erkenntnisse zu menschlichem Verhalten und bewegende Zeitreisen: SZ-Redakteure stellen die besten Podcasts vor, die es gerade zu hören gibt.

Von SZ-Autoren

Anti & semitisch

irgendwiejuedisch.com

Der Spiegel hat unlängst ein Spezialheft über das Judentum in Deutschland illustriert mit dem Bild zweier Orthodoxer aus den Zwanzigerjahren, der Untertitel lautete: "Die unbekannte Welt nebenan". Das Cover rief viel Kritik hervor: weil es ein Klischeebild jüdischen Lebens zeichne, das noch dazu in einer Art Parallelgesellschaft stattfinde. "Wir fühlen uns nicht gesehen und nicht erkannt", sagte die Schriftstellerin Mirna Funk. Dabei gibt es so viele Möglichkeiten, sich über jüdisches Leben nicht nur zu informieren, sondern auch daran teilzuhaben. Die Berlinerin Juna Grossmann und Chajm Guski aus dem Ruhrgebiet, beide bekannt für ihre Blogs zum Judentum, sprechen über alles, was Jüdinnen und Juden hierzulande bewegt. Was ein jüdisches Museum leisten soll, wie schwierig es ist, eine liberale Synagoge zu finden, dass Klezmer-Musik nerven kann, jüdischer Kitsch hingegen gerade sehr angesagt ist. Die beiden erklären Worte wie Schmonzelach, sprechen über Feminismus und Feiertage, stellen Bücher vor, und immer wieder haben sie Gäste wie den Kolumnisten der Jüdischen Allgemeinen, der mit viel Selbstironie über Berlins Kulturszene lästert. Es geht ums ganz Große und winzig Kleine, ein Abbild jüdischen Lebens, das so komplex und vielfältig ist wie die moderne Welt. Verena mayer

Leonora - Mit 15 zum IS

ndr.de/leonora

Eine deutsche Teenagerin, die zum Islam konvertiert, heimlich in die Türkei reist und sich von dort aus dem "Islamischen Staat" in Syrien anschließt. Ein Albtraum für die Familie, der sich auch in einen Horrortrip für Leonora entwickelt. Sie verheiratet sich rasch - ihr Mann ist ebenfalls ein deutscher Konvertit - gebiert zwei Kinder. Währenddessen kippt in der Stadt Raqqa der Alltag um in Krieg, der IS verliert sein Territorium. Für Leonora und ihren Vater geht es nur noch darum, ob sie lebend dort herauskommt - wobei die beiden nicht an einem Strang ziehen. Britta von der Heide und Volkmar Kabisch haben lange recherchiert zu dem Fall, einen Film gedreht. Lena Gürtler hat nun mit dem Material der Kollegen einen fünfteiligen Podcast produziert, der diese stark am Vater ausgerichtete Geschichte erneut aufrollt. Gürtler debattiert darüber hinaus medienethische Fragen. Das Näheverhältnis der Journalisten zu den Personen, über die sie berichten, wird zum Thema, ebenso die Gefahr, vom Beobachter zum Akteur zu mutieren. Von der Heide und Kabisch geben selbstkritisch Auskunft. Stefan Fischer

4 Tage Angst

br.de/4tageangst

Journalist Till Ottlitz erzählt die Geschichte seiner Mutter. Die wollte 1973 als junge Frau aus der DDR abhauen, zunächst scheiterte das: Im Fluchtauto war nicht genug Platz. Nach vier turbulenten Tagen schaffte sie es doch nach Westberlin. Ottlitz fährt mit seiner Mutter Bärbel an Orte der Flucht, sie besuchen Helfer, sprechen mit Verwandten. Das Aufnahmegerät ist immer an. Ottlitz ordnet das Geschehen ein, bleibt dennoch im Hintergrund und gibt so seiner Mutter den Raum zum Erzählen. Man merkt, dass Bärbel Ottlitz noch nicht oft über die Flucht gesprochen hat. An vieles erinnert sie sich erst jetzt wieder. Besonders rührend: Sie findet die Fahrkarte, mit der sie von Halle nach Ostberlin gefahren ist. "Wieso hast du die aufgehoben?", fragt Till Ottlitz. "Weil ich wusste, dass ich mal 'nen Sohn hab', der sich dafür interessiert." Man hat das Gefühl, Bärbels Geschichte in den sechs Folgen mit ihr gemeinsam zu erleben. maresa sedlmeir

Lotte live von der Nationalversammlung

libellus.de/lotte-live

Das Weimarer Bürgerradio Lotte springt 100 Jahre in der Zeit zurück und zeichnet die Entwicklungen in der Nationalversammlung nach - von deren Einberufung im Januar 1919 bis zum Umzug nach Berlin im Juli 1919. Das Ziel war es damals, die erste demokratische Verfassung Deutschlands zu erarbeiten. Wie das gelang, illustriert der Podcast mit Reden von Politikern (und den ersten Politikerinnen!), mit Berichten von Journalisten aus dem In- und Ausland. Neben politischen Zusammenhängen erfährt man dabei auch, dass sich bei der Verpflegung alles um die Butter drehte und ein von einer Illustrierten veröffentlichtes Badehosen-Bild den designierten Reichspräsidenten Ebert ziemlich verunsicherte. Das Besondere: Einige Figuren werden von ihren heutigen Pendants gesprochen, etwa der Oberbürgermeister oder der Intendant des Nationaltheaters. Das klingt nicht so geschmeidig wie bei professionellen Sprechern, dafür sehr authentisch. Etwas von Liebhabern für Liebhaber eben. Kathrin Müller-Lancé

Hidden Brain

npr.org

Es gibt viele Gründe, Hidden Brain gut zu finden, aber eigentlich reicht es aus, einmal die Stimme von Shankar Vedantam zu hören. Der Journalist führt durch den Podcast des amerikanischen National Public Radio, so angenehm ruhig, verständlich und lustig, dass man ihm auch zuhören würde, wenn er ausschließlich Tweets von Donald Trump vorläse. Tut er aber nicht. Er befasst sich mit Themen aus verschiedensten Bereichen, Psychologie, Neurobiologie, Soziologie, Wirtschaft, immer geht es um Menschen und ihr Verhalten. Seit vier Jahren gibt es Hidden Brain schon, die Themen gehen nicht aus. Die Folgen heißen etwa How to See the Future oder When Did Marriage Become So Hard?. Die Antwort ist eine kulturhistorische Abhandlung, Wissenschaftler kommen ausführlich zu Wort, aktuelle Forschung wird zitiert. In einem Satz gesagt: Es geht um die Freude am Denken. Elisa Britzelmeier

Tracks & Traces

detektor.fm/serien/tracks-and-traces

Ums Sezieren geht es auch im Podcast des Leipziger Internetradios. Musiker setzen das Skalpell an und führen eine Endoskopie eines eigenen Songs durch. In den monatlich erscheinenden, etwa 24-minütigen Folgen geht es um Inspirationen, ums Texten, um Instrumente und lustige Anekdoten. Drangsal erzählt, welche Rolle für ihn der Gedanke an Liveauftritte beim Songschreiben spielt, Bosse räumt ein, dass sein bekanntester Song Schönste Zeit beinahe nicht auf dem Album gelandet wäre. In der deutschen Variante des amerikanischen Vorbilds Song Exploder sind ausschließlich die Musiker zu hören, unterbrochen nur von Songschnipseln oder einzelnen Tonspuren. So wirft Tracks & Traces einen erfrischenden Blick in die Eingeweide der Musikproduktion. Kevin Scheerschmidt

sz.de/podcast-tipps

Zur SZ-Startseite

SZ PlusSpotify-Podcast "Ja Ja Nee Nee"
:"Alle sollen die Hosen anbehalten"

Benjamin von Stuckrad-Barre und Jasna Fritzi Bauer im Gespräch über spontane Themenfindung, gespielte Authentizität und Einschlafen als Kritik.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: